Materialistische Dialektik als Theorie der Gesellschaft

Die seit lan­ger Zeit nur schwer weg­zu­den­ken­de Prä­senz des Mar­xis­mus in der Sozi­al­wis­sen­schaft wird häu­fig auf zwei Arten erklärt: Einer­seits habe sich der Gegen­stand – eine Gesell­schaft, die in wesent­li­chen Aspek­ten von ihrer kapi­ta­lis­ti­schen Pro­duk­ti­ons- und Denk­wei­se bestimmt ist – zwar an der Ober­flä­che, nicht aber sei­nem Orga­ni­sa­ti­ons­prin­zip nach ver­än­dert, das Marx in beson­ders kla­ren Begriff­lich­kei­ten auf den Punkt gebracht habe. Ande­rer­seits habe Marx aber nicht nur die kapi­ta­lis­ti­sche Gesell­schaft begriff­lich rein inter­pre­tiert, son­dern dabei impli­zit auch eine Metho­de der Ana­ly­se und Kri­tik ent­wi­ckelt, die für eine all­ge­mei­ne Erkennt­nis der Evo­lu­ti­on von Gesell­schafts­for­men auch jen­seits bestimm­ter Pha­sen des Kapi­ta­lis­mus ihre Gül­tig­keit bewah­re. Aus den poli­ti­schen Her­aus­for­de­run­gen einer Welt, die sich an der Ober­flä­che seit Marx‘ Zei­ten tat­säch­lich stark gewan­delt hat, ohne das Orga­ni­sa­ti­ons­prin­zip Kapi­ta­lis­mus auf­zu­ge­ben, ergibt sich daher die Berech­ti­gung zu einem neu­en Ver­such, eine sol­che über­grei­fen­de Theo­rie der sozia­len Evo­lu­ti­on zu formulieren.

Mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik – so lau­tet unse­re The­se – kann als eine unter meh­re­ren Ant­wort­stra­te­gien auf die­se wis­sen­schaft­li­che Her­aus­for­de­rung ver­stan­den wer­den. Im Fol­gen­den wird die­se The­se an Anhalts­punk­ten 1) aus Marx’ eige­nen metho­di­schen Äuße­run­gen, 2) aus der Mar­xis­mus-inter­nen Debat­te und 3) aus einem genaue­ren Blick auf die Abgren­zungs­mög­lich­kei­ten des Mar­xis­mus zu exter­nen Theo­rie­an­ge­bo­ten und mit­hin die zeit­ge­nös­si­sche Unfä­hig­keit, eine sol­che Grenz­zie­hung über­haupt vor­zu­neh­men, begrün­det. Zugleich wird jeweils ent­wi­ckelt, wel­che inhalt­li­chen Kon­se­quen­zen sich dar­aus für eine mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik als For­schungs­ein­stel­lung erge­ben müss­ten, das heißt in wel­chem Sinn und zu wel­chem Zweck sie mate­ria­lis­tisch und dia­lek­tisch sein kann.

 

Anhalts­punk­te für Auf­ga­be und Form mate­ria­lis­ti­scher Dia­lek­tik bei Marx

 

Marx hat zur Auf­fas­sung des Mate­ria­lis­mus von Feu­er­bach ange­merkt, dass jener in sei­ner mate­ria­lis­ti­schen Kri­tik der Reli­gi­on nicht berück­sich­tigt habe, »daß das „reli­giö­se Gemüt“ selbst ein gesell­schaft­li­ches Pro­dukt ist«.[1] Laut Marx reicht es nicht hin, das Aus­ein­an­der­fal­len von einer ver­meint­lich rea­len, mate­ri­el­len Welt und ihrem ideo­lo­gi­schen (in die­sem Fall: reli­giö­sen) Über­bau fest­zu­stel­len und letz­te­ren dafür zu kri­ti­sie­ren, die Aus­ge­stal­tung der sozia­len Insti­tu­tio­nen nicht so ein­zu­rich­ten, wie es die mate­ri­el­le Welt ver­langt, um die bes­ten Ergeb­nis­se für die Lebens­qua­li­tät zu erzie­len. Viel­mehr, so meint Marx wohl, bestehe der begrün­de­te Ver­dacht, dass die­ses Aus­ein­an­der­fal­len der Welt in eine mate­ri­el­le und eine geis­ti­ge selbst einer Logik folgt, die ent­schlüs­selt wer­den muss, wenn der Weg zu bes­se­ren Insti­tu­tio­nen erschlos­sen wer­den soll.

Vor dem Hin­ter­grund der Annah­me der Gesell­schaft als Deter­mi­na­ti­ons­ver­hält­nis, die eine gedank­li­che Ver­mitt­lung zu ihrer Erkennt­nis braucht, ergibt sich erst die Not­wen­dig­keit, das Den­ken selbst als Teil einer gesell­schaft­li­chen Tota­li­tät zu begrei­fen und es dar­in prak­tisch wer­den zu las­sen. Inso­fern, als nicht bei der Ansicht ste­hen geblie­ben wer­den kann, das Den­ken oder Nie­der­schrei­ben eines Gedan­kens selbst sei bereits mit der rea­len Wirk­sam­keit des Inhalts die­ses Gedan­kens iden­tisch – was tat­säch­lich gera­de der reli­giö­sen Pra­xis ent­spricht –, bleibt stets ein Gra­ben zwi­schen Rea­li­tät und Gedan­ke zurück. Falls Marx mit sei­ner Intui­ti­on recht behält, müss­te sich also die Qua­li­tät der einen oder ande­ren Betrach­tung der mate­ri­el­len Welt über die­sen epis­te­mo­lo­gi­schen Gra­ben hin­weg dar­an mes­sen las­sen, ob und wie gut die­se Betrach­tun­gen selbst Aus­kunft dar­über geben kön­nen, wie die­ser Gra­ben zustan­de kommt und wie sich die eige­ne Betrach­ter­po­si­ti­on zu ihm ver­hält. Die­ser zen­tra­le metho­di­sche Punkt von Marx, der auch sei­ne Kri­tik an Feu­er­bach anlei­tet, trifft hier nicht nur für den Bereich der Reli­gi­on zu, son­dern für alle Prak­ti­ken, die an der Gestal­tung oder der Kri­tik gesell­schaft­li­cher Ver­hält­nis­se betei­ligt sind: Für die Poli­tik eben­so wie für die Phi­lo­so­phie und die Wis­sen­schaft – und gilt, ganz sicher, auch für eine mate­ria­lis­ti­sche Dialektik.

Marx drückt die­se For­de­rung nach einem Güte­kri­te­ri­um an wis­sen­schaft­li­ches Den­ken in den The­sen auch fol­gen­der­ma­ßen aus: »Daß die welt­li­che Grund­la­ge sich von sich selbst abhebt und sich ein selb­stän­di­ges Reich in den Wol­ken fixiert, ist nur aus der Selbst­zer­ris­sen­heit und dem Sich­selbst­wi­der­spre­chen die­ser welt­li­chen Grund­la­ge zu erklä­ren.«[2] Die Kri­tik am bis­he­ri­gen Mate­ria­lis­mus, er sei nur vom Idea­lis­mus her ent­wi­ckelt, lässt sich nur so erklä­ren: Marx ist der Ansicht, dass die­ser epis­te­mo­lo­gi­sche Bruch nur von der Sei­te des Mate­ria­lis­mus her über­wun­den wer­den kann. Aber warum?

Der Idea­lis­mus kann aus sich selbst her­aus nicht begreif­lich machen, war­um eine Gesell­schaft einen Idea­lis­mus her­vor­brin­gen soll­te. Der Mate­ria­lis­mus hin­ge­gen – sofern er sich nicht schlicht als poli­ti­sche Argu­men­ta­ti­ons­hil­fe begreift, son­dern als Wis­sen­schaft vom Form­wan­del der Gesell­schaft und sei­ner Steue­rung – kann sehr wohl erklä­ren, war­um Gesell­schaf­ten in bestimm­ten Stu­fen nicht nur einen Idea­lis­mus, son­dern auch den Mate­ria­lis­mus selbst her­vor­brin­gen kön­nen oder sogar müssen.

Nun exis­tier­te aber auch die Mög­lich­keit, den Mate­ria­lis­mus nicht aus sich selbst, son­dern aus einem huma­nis­ti­schen Stand­punkt zu ent­wi­ckeln – eine Mög­lich­keit, gegen die Marx gro­ße Anstren­gun­gen unter­nimmt, weil die­ser Weg gera­de das ent­schei­den­de, das Wis­sen­schaft­li­che und nicht bloß Phi­lo­so­phi­sche des Mate­ria­lis­mus unter­gra­ben müsse.

Zu die­ser ers­ten For­de­rung gesellt sich bei Marx aber schein­bar ganz auto­ma­tisch eine zwei­te: Die Ent­wick­lung einer Poli­tik habe nicht nur im eben aus­ge­führ­ten Sin­ne mate­ria­lis­tisch, das heißt als Theo­rie über die welt­li­che Grund­la­ge des gesell­schaft­li­chen Form­wan­dels, son­dern auch dia­lek­tisch zu erfol­gen, näm­lich aus dem Sich­selbst­wi­der­spre­chen die­ser welt­li­chen Grund­la­ge. Wenn die welt­li­che Grund­la­ge eine außer­welt­li­che Sphä­re von sich abspal­tet, müs­se sie bereits zuvor inner­lich zu sich selbst in einen Gegen­satz getre­ten sein, müs­sen in der welt­li­chen Sphä­re gegen­sätz­li­che Kräf­te am Werk sein, deren eige­ne Dyna­mik deter­mi­nie­ren­de Aus­wir­kun­gen auf die außer­welt­li­che (reli­giö­se, phi­lo­so­phi­sche, poli­ti­sche, wis­sen­schaft­li­che) Sphä­re haben. Eine mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik habe also die Auf­ga­be, das Ent­ste­hen die­ser Außen­welt – obwohl sie die­ser Außen­welt selbst mit ange­hört – und deren ste­ti­gen Wan­del aus der mate­ri­el­len Grund­la­ge sowie gleich­zei­tig deren inne­ren Gegen­sät­zen und wie­der­um deren ste­ti­gem Wan­del zu erklären.

An einer wei­te­ren bekann­ten Stel­le bringt Marx die­sen Pro­blem­zu­sam­men­hang auf den Punkt, näm­lich in der Ein­lei­tung zur Kri­tik der poli­ti­schen Öko­no­mie: »Es ist nicht das Bewußt­sein der Men­schen, das ihr Sein, son­dern umge­kehrt ihr gesell­schaft­li­ches Sein, das ihr Bewußt­sein bestimmt.«[3] Die­se Stel­le lässt sich vor allem in dem Sinn ver­ste­hen, dass die Sinn­haf­tig­keit der eige­nen wis­sen­schaft­li­chen Tätig­keit selbst reflek­tiert und welt­ge­schicht­lich ein­ge­ord­net wer­den muss: Will das Bewusst­sein irgend­et­was sinn­vol­les aus­sa­gen, so muss es sich ganz offen­bar dar­über im Kla­ren sein, aus wel­chem gesell­schaft­li­chen Sein es her­vor­ge­bracht wur­de. Kann es das nicht, so steht es im Ver­dacht, ein­fach ein orga­ni­sches (Abfall-)Produkt des gesell­schaft­li­chen Seins zu sein. Über­haupt ent­schlüs­selt sich eine gro­ße Por­ti­on von Marx’ Werk unter die­sem Gesichts­punkt: Marx hat stets ver­sucht auf­zu­zei­gen, war­um und inwie­fern sowohl das spon­ta­ne gesell­schaft­li­che Bewusst­sein als auch das wis­sen­schaft­li­che Bewusst­sein der Poli­ti­schen Öko­no­mie eben ein orga­ni­sches Pro­dukt der gesell­schaft­li­chen Seins­wei­se des Kapi­ta­lis­mus sind. Sei­ne Ant­wort war: Sie sind ein orga­ni­sches Pro­dukt, weil sie idea­lis­tisch argu­men­tie­ren (auf Basis eines Ide­al­bilds des Eigen­tum besit­zen­den Bür­ger-Men­schen) statt mate­ria­lis­tisch, und weil sie nicht dia­lek­tisch argu­men­tie­ren (und die Wider­sprü­che der bür­ger­li­chen Gesell­schaft auf äuße­re Fak­to­ren zurückführen).

Nun scheint es uns aber wich­tig anzu­mer­ken, dass, obwohl Marx mit guten Grün­den die Dia­lek­tik und den Mate­ria­lis­mus so eng zusam­men­zieht – was sowohl für eini­ge Inspi­ra­ti­on als auch Ver­wir­rung sorgt –, bei­de doch jeweils unter­schied­li­che Ele­men­te und durch­aus getrennt zu betrach­ten sind. Der Ter­mi­nus mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik wäre nur Pleo­nas­mus, wären bei­de Tei­le unmit­tel­bar iden­tisch. Was damit also nur gemeint sein kann, ist eine bestimm­te Kom­bi­na­ti­on der bei­den For­schungs­ein­stel­lun­gen oder ‑maxi­men des Mate­ria­lis­mus und der Dia­lek­tik. Aus­ge­hend davon, dass »alle Mys­te­ri­en, wel­che die Theo­rie zum Mys­ti­zis­mus ver­an­las­sen, […] ihre ratio­nel­le Lösung in der mensch­li­chen Pra­xis und in dem Begrei­fen die­ser Pra­xis [fin­den]«[4], soll das Den­ken Aus­gang an der rea­len Beschaf­fen­heit der Din­ge neh­men (mate­ria­lis­tisch), was es aber nur kann, wenn es die­se in sei­ner wider­sprüch­li­chen Bewe­gung und wech­sel­sei­ti­gem Zusam­men­hang (an)erkennt (dia­lek­tisch).

Wenn uns eine mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik also heu­te Aus­kunft über die Fra­ge geben soll, was zu tun ist, so müs­sen wir als ers­tes fra­gen, ob die mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik, ob also das spe­zi­fi­sche Ensem­ble von dia­lek­ti­scher und mate­ria­lis­ti­scher For­schungs­ein­stel­lung heu­te noch vor den eige­nen Güte­kri­te­ri­en, die wir dan­kens­wer­ter Wei­se von Marx über­neh­men kön­nen, über­haupt besteht. Die Fra­ge ist zunächst auf der Innen­sei­te des Mar­xis­mus zu stel­len, als eine Selbst­ver­stän­di­gung der Theo­rie über ihren Anspruch und des­sen Umset­zung, will sie denn mehr sein als nur ein wei­te­rer unter den gän­gi­gen Pleo­nas­men in einem bereits bestehen­den dis­kur­si­ven Über­an­ge­bot an Poli­tik. Die Fra­ge stellt sich dar­auf auf­bau­end aber auch an der Außen­sei­te des Mar­xis­mus und damit in der Abgren­zung zu kon­kur­rie­ren­den Theo­rie­an­ge­bo­ten, die sich auf die poli­ti­schen Grund­fi­gu­ren bezie­hen, wel­che von dem Begriff mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik ange­deu­tet wer­den – und die von der wis­sen­schaft­li­chen Revo­lu­ti­on, die Marx ein­ge­läu­tet hat, als unzu­rei­chend eti­ket­tiert wurden.

 

Mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik auf der Innen­sei­te des Marxismus

 

Die Fra­ge, wie die­se Dia­lek­tik eigent­lich aus­sieht, die Marx schein­bar so selbst­ver­ständ­lich ein­for­dert, ist seit jeher umstrit­ten. Wann und in wel­chem Sin­ne ist die Rede von Gegen­sät­zen in der mate­ri­el­len Grund­la­ge, von Wider­sprü­chen in der bür­ger­li­chen Gesell­schaft und damit Dia­lek­tik über­haupt in einem stren­gen und ratio­nal nach­voll­zieh­ba­ren Sin­ne gerecht­fer­tigt? Wir haben an ande­rer Stel­le eini­ge Punk­te vor­ge­tra­gen, die uns eine gro­ße Skep­sis gegen­über die­ser Denk­art der Selbst­wi­der­sprüch­lich­keit nahe­le­gen, weil sie gera­de mit Ver­tre­tern des ent­ge­gen­ge­setz­ten Erkennt­nis­in­ter­es­ses des Mar­xis­mus gro­ße Über­ein­stim­mun­gen auf­weist.[5] Im Fol­gen­den möch­ten wir statt­des­sen eini­ge sym­pto­ma­ti­sche Weg­mar­ken aus der inne­ren Dis­kus­si­on über mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik herausgreifen.

Eine wich­ti­ge Annä­he­rung zu dem The­men­kom­plex fin­det sich bei Karl Korsch. Korsch rekon­stru­ier­te in sei­ner Mono­gra­phie über Karl Marx die Bedeu­tung von Mate­ria­lis­mus und Dia­lek­tik über Ricar­do und Hegel.[6] Für Ricar­do blei­ben die in der bür­ger­li­chen Gesell­schaft her­vor­tre­ten­den Wider­sprü­che theo­re­tisch noch unver­mit­telt neben­ein­an­der bestehen. Die­se Kri­tik macht öko­no­misch Sinn, ging Ricar­do doch noch, gegen man­che Zwei­fel, von der Gül­tig­keit von Says Theo­rem von Preis­bil­dung durch Ange­bot und Nach­fra­ge aus. Erst Marx’ Kri­tik an die­sem Theo­rem – »Decken sich Nach­fra­ge und Ange­bot, so hört, unter sonst gleich­blei­ben­den Umstän­den, die Preis­os­zil­la­ti­on auf. Aber dann hören auch Nach­fra­ge und Ange­bot auf, irgend etwas zu erklä­ren.«[7] –, vor­be­rei­tet durch die vor­weg­neh­men­de Lösung die­ses Rät­sels durch die Ent­de­ckung der Ware Arbeits­kraft, »deren Gebrauchs­wert selbst die eigen­tüm­li­che Beschaf­fen­heit besä­ße, Quel­le von Wert zu sein«[8], bringt Marx dazu, hier tat­säch­lich einen Wider­spruch zu dia­gnos­ti­zie­ren: »Kapi­tal kann also nicht aus der Zir­ku­la­ti­on ent­sprin­gen, und es kann eben­so­we­nig aus der Zir­ku­la­ti­on nicht ent­sprin­gen. Es muß zugleich in ihr und nicht in ihr ent­sprin­gen.«[9]

Die Dar­stel­lung der Vor­gän­ge in der Poli­ti­schen Öko­no­mie in ihrem Zusam­men­hang erfor­dert also offen­bar die Aner­ken­nung eines Wider­spruchs, einer Dia­lek­tik, die, solan­ge sich nicht wei­ter gelöst ist, als sol­che akzep­tiert wer­den muss. Das zu erken­nen und kri­tisch fest­zu­hal­ten ist die Dif­fe­renz von Marx zu Ricardo.

Hegel wie­der­um stel­le gera­de die Gegen­sei­te vor. Er spü­re zwar sys­te­ma­tisch Wider­sprü­che auf, aber nur um sie sogleich wie­der in einer höhe­ren Ein­heit zu „ver­schlu­cken“ und auf­zu­lö­sen. Mit die­ser Form der gro­ßen Dia­lek­tik habe Marx tat­säch­lich „voll­kom­men gebro­chen“. Es scheint für Korsch offen­bar, dass sich es sich bei Marx um eine knap­pe, und über­haupt nicht empha­ti­sche Dia­lek­tik han­deln muss, eine Dia­lek­tik wider Wil­len sozu­sa­gen. Die Dia­lek­tik ist so gar kei­ne Metho­de, son­dern das Pro­blem, und der dia­lek­ti­sche Wider­spruch nicht die Maxi­me oder der Punkt, auf den die Ana­ly­se zutrei­ben soll, son­dern eine rei­ne Not­wen­dig­keit der Dar­stel­lung – einer unzu­rei­chen­den Darstellung.

Marx’ Metho­de wird von Korsch an die­ser Stel­le als Umstül­pung oder als „Trans­plan­ta­ti­on“ der Hegel­schen Dia­lek­tik cha­rak­te­ri­siert. Hegel habe näm­lich in sei­ner Manier als geis­tes­wis­sen­schaft­li­cher Natur­wis­sen­schaft­ler es stets zur Maxi­me gemacht, ratio­na­lis­ti­sche bezie­hungs­wei­se posi­ti­vis­ti­sche Erkennt­nis­se durch Geist und Dia­lek­tik zu über­for­men. Umge­kehrt sei es dage­gen das For­schungs­pro­gramm von Marx, eine ten­den­zi­ell natur­wis­sen­schaft­li­che Theo­rie des Geis­tes zu leis­ten – in einer Form, die ihre eige­nen Gren­zen und Gül­tig­kei­ten selbst mit­be­denkt, durch den Lauf der Zeit also auch nur als eine Wis­sen­schaft in Bewe­gung zu haben ist. Korsch cha­rak­te­ri­siert die­ses Umstül­pen als einen qua­li­ta­ti­ven Sprung, des­sen Unkennt­nis auch Fol­gen für die poli­ti­sche Urteils­kraft haben kann. Korschs Rekon­struk­ti­on lässt sich ins­ge­samt nur so ver­ste­hen: als Par­tei­nah­me für die Posi­ti­on, die Marx­sche Gesell­schafts­for­schung sei nicht nur über die idea­lis­ti­sche Phi­lo­so­phie, son­dern über jede phi­lo­so­phi­sche Denk­wei­se über­haupt hinausgeschritten.

Inwie­fern Korsch selbst die­ser Intui­ti­on treu geblie­ben ist, war Bestand­teil lan­ger und für die Gegen­wart weit­ge­hend ver­ges­se­ner und bedeu­tungs­lo­ser Debat­ten.[10] Aber auch Marx selbst hält die­se Maxi­me der mini­ma­len Dia­lek­tik kei­nes­wegs immer kon­se­quent durch. Die gleich­zei­ti­ge Nähe und Fer­ne zu Hegel hat vie­le wei­te­re mit der Fra­ge beschäf­tigt, ob es denn nun die Gemein­sam­kei­ten oder die Dif­fe­ren­zen zu Hegel waren, die Marx’ For­de­rung nach mate­ria­lis­ti­scher Dia­lek­tik so wirk­mäch­tig gemacht haben.

Neben ande­ren hat Andre­as Arndt in einem aktu­el­le­ren Über­blick zu die­ser Pro­ble­ma­tik zurecht dar­auf auf­merk­sam gemacht, dass die Suche nach einer sol­chen erneu­er­ten mate­ria­lis­ti­schen Dia­lek­tik als die Metho­de von Marx ursprüng­lich kei­ne gro­ße poli­ti­sche Rol­le gespielt hat: »[D]ie Theo­re­ti­ker der II. Inter­na­tio­na­le – Ortho­do­xe wie Revi­sio­nis­ten – hat­ten wenig Sinn für Marx’ „Koket­tie­ren“ mit der hegel­schen Dia­lek­tik«[11], schreibt Arndt. Erst Lenin habe mit sei­nem berühm­ten Dik­tum die Fra­ge nach der hegel­schen Logik in Marx’ Werk zu einer poli­tisch ent­schei­den­den Fra­ge gemacht.

Arndt unter­schei­det prä­zi­se meh­re­re mög­li­che Ver­bin­dungs­li­ni­en vom Kapi­tal zum Hegel­schen Stand der Logik und ver­wirft letzt­lich alle Ver­su­che, eine Dia­lek­tik in das Kapi­tal „hin­ein­zu­le­sen“ oder zu trans­plan­tie­ren. Die Hegel­sche Logik bleibt für Marx eine Art »Reser­voir dia­lek­ti­scher Denk­fi­gu­ren«[12], derer sich expe­ri­men­tell bedient wer­den kön­ne, um eine real­wis­sen­schaft­li­che Aus­ein­an­der­set­zung wei­ter­zu­brin­gen. Für Marx gel­te es nur, in die­sen Denk­fi­gu­ren das Hegel­sche Quid­pro­quo zu ent­tar­nen, bei dem, im Namen der Suche nach der rei­nen Idee, in der Empi­rie etwas ande­res als die Empi­rie erblickt wird, näm­lich die Selbst­be­we­gung der Idee.

Die­se Denk­fi­gu­ren sei­en dann aller­dings doch wie­der von enor­mer Wich­tig­keit, denn nur mit­hil­fe der prin­zi­pi­el­len Mög­lich­keit, in der Empi­rie etwas ande­res zu erbli­cken, als auf den ers­ten Blick zu sehen ist, sei über­haupt kri­ti­sches Den­ken mög­lich. Arndt hält des­halb Marx’ Ver­such, über die Ein­be­zie­hung von phi­lo­so­phi­schen Mus­tern letzt­lich die Phi­lo­so­phie an sich ad acta zu legen, für naiv und undurchführbar:

Marx sieht offen­bar in der hegel­schen logi­schen Idee eine Ver­selbst­stän­di­gung des Den­kens, und zwar eine sol­che Ver­selbst­stän­di­gung, die auf einer Abs­trak­ti­on von rea­len Zusam­men­hän­gen beruht. Damit erkennt Marx zwar an, dass Hegels Phi­lo­so­phie bis in die schein­bar abs­trak­tes­ten Bestim­mun­gen hin­ein empi­risch gesät­tigt und nicht das Ergeb­nis einer boden­lo­sen Spe­ku­la­ti­on sei; zugleich über­geht er aber auch die Fra­ge nach dem Sta­tus einer eige­nen Refle­xi­on begriff­lich-kate­go­ria­ler Zusam­men­hän­ge, wie sie Hegel auf der Ebe­ne der Wis­sen­schaft der Logik vor­nimmt. Genau­er gesagt: die­se Theo­rie­ebe­ne – auf wel­che m. E. auch eine so genann­te mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik nicht ver­zich­ten könn­te – kommt bei Marx gar nicht vor; sie ist offen­bar dem pro­kla­mier­ten Abschied von der Phi­lo­so­phie zuguns­ten der empi­ri­schen Wis­sen­schaft zum Opfer gefal­len.[13]

Und wei­ter:

Über die Nai­vi­tät die­ses in der Deut­schen Ideo­lo­gie ver­brei­te­ten Empi­ris­mus – als ob sozia­le und insti­tu­tio­nel­le Zusam­men­hän­ge empi­risch beob­acht­bar sei­en wie ein Son­nen­auf­gang oder der Flug eines Vogels – braucht man kein Wort zu ver­lie­ren.[14]

Für eine mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik wür­de das bedeu­ten, dass sie einst­wei­len noch nicht mit einer völ­li­gen Selbst-Trans­pa­renz die­nen kann: Eine selbst­re­fle­xi­ve Theo­rie der Evo­lu­ti­on mate­ri­el­ler Ver­hält­nis­se wäre damit noch nicht zu haben, zumal die Grund­be­grif­fe noch nicht klar genug ent­wi­ckelt sind – und wenn über­haupt auch nicht bei Marx zu suchen wären. Inso­fern liegt hier ein gro­ßer Bruch zwi­schen Hegel und Marx vor, der aber kei­ne Ent­wick­lung zum Guten darstellt.

Die­se Fra­ge nach der Kon­ti­nui­tät oder Dif­fe­renz der Dia­lek­tik bei Hegel und Marx hat auch Lou­is Althus­ser umge­trie­ben, der die­sen Bruch gera­de ent­ge­gen­ge­setzt inter­pre­tiert hat­te. Althus­ser skiz­ziert, dass durch Fra­ge nach einer Formen­theo­rie der Phi­lo­so­phie bereits bei Marx mög­lich gemacht wurde.

Für Lou­is Althus­ser war die Fra­ge nach der Rol­le der Phi­lo­so­phie im Mar­xis­mus durch den Kampf gegen die Domi­nanz des Exis­ten­zia­lis­mus poli­tisch auf­ge­la­den. Sei­ne The­se im Anschluss an Lenin lau­te­te, dass der Mar­xis­mus zunächst tat­säch­lich ganz und gar auf der Sei­te der Wis­sen­schaft steht, und die Phi­lo­so­phie nicht als Spiel­feld, son­dern als Geg­ner zu betrach­ten hat. Der Mar­xis­mus sei kei­ne neue Phi­lo­so­phie, sein revo­lu­tio­nä­rer Gehalt bestün­de gera­de in der »radikale[n] Ableh­nung der Phi­lo­so­phie«.[15] Althussers eige­ner Ver­such, die­se The­se zu begrün­den, eine neb­li­ge Unter­schei­dung zwi­schen »Regio­nen« und »Kon­ti­nen­ten« der Wis­sen­schaft[16], bleibt lei­der unaus­ge­go­ren. Umso stär­ker wirkt jedoch der Bezug auf eine der zen­tra­len his­to­risch-mate­ria­lis­ti­schen Argu­men­ta­ti­ons­fi­gu­ren von Engels, die auch von Lenin dis­ku­tiert wur­den. Engels schrieb:

Der Staat ist also nicht von Ewig­keit her. Es hat Gesell­schaf­ten gege­ben, die ohne ihn fer­tig wur­den, die von Staat und Staats­ge­walt kei­ne Ahnung hat­ten. Auf einer bestimm­ten Stu­fe der öko­no­mi­schen Ent­wick­lung, die mit der Spal­tung der Gesell­schaft in Klas­sen not­wen­dig ver­bun­den war, wur­de durch die­se Spal­tung der Staat eine Not­wen­dig­keit. Wir nähern uns jetzt mit raschen Schrit­ten einer Ent­wick­lungs­stu­fe der Pro­duk­ti­on, auf der das Dasein die­ser Klas­sen nicht nur auf­ge­hört hat, eine Not­wen­dig­keit zu sein, son­dern ein posi­ti­ves Hin­der­nis der Pro­duk­ti­on wird. Sie wer­den fal­len, eben­so unver­meid­lich, wie sie frü­her ent­stan­den sind. Mit ihnen fällt unver­meid­lich der Staat.[17]

Althussers Über­le­gung ist nun, dass alle die­se The­sen auch für die Phi­lo­so­phie zutref­fen, dass fast an allen Stel­len mühe­los das Wort „Phi­lo­so­phie“ an die Stel­le des Wor­tes „Staat“ tre­ten könn­te. Auch die Phi­lo­so­phie hat es nicht immer gege­ben, auch die Phi­lo­so­phie wird wie­der ver­schwin­den. Was sind nun also die Ent­wick­lun­gen, die das Ent­ste­hen einer Phi­lo­so­phie sowie eines Staa­tes mög­lich machen? Ist es wirk­lich die Spal­tung der Klassen?

Althus­ser meint: Nein, nicht die Spal­tung der Klas­sen, son­dern all­ge­mein die Ent­wick­lung der Wis­sen­schaf­ten machen eine Phi­lo­so­phie nötig und mög­lich. Die­se neue Phi­lo­so­phie kön­ne also immer nur lang­sam und lan­ge Zeit nach der ursprüng­li­chen wis­sen­schaft­li­chen Erneue­rung ent­ste­hen. Doch wie begrün­det Althus­ser die­se Auf­fas­sung? Es scheint, als wei­che er hier, nach­dem er sich eben noch so eng an Engels und Lenin geklam­mert hat­te, nun wider­stands­los von einer mate­ria­lis­ti­schen For­schungs­ein­stel­lung ab und argu­men­tiert selbst wie­der meta­phy­sisch und phi­lo­so­phisch: Er spricht von »Erschüt­te­run­gen«[18], die angeb­lich von wis­sen­schaft­li­chen Neue­run­gen ausgehen.

Den­noch ist der ange­sto­ße­ne Gedan­ken­gang prin­zi­pi­ell ratio­nal. Er lau­tet: Kön­nen bestimm­te Stu­fen der Ent­wick­lung der Pro­duk­tiv­kräf­te und Pro­duk­ti­ons­ver­hält­nis­se ange­ge­ben wer­den, die das Ent­ste­hen einer Phi­lo­so­phie begrün­den und wel­che Rück­schlüs­se las­sen sich dar­aus auf den poli­ti­schen Gehalt die­ser Art der phi­lo­so­phi­schen Pro­duk­ti­on zie­hen? Althus­ser nennt dies eine »Theo­rie (d.h. objek­ti­ve Erkennt­nis) der Phi­lo­so­phie«.[19] Es scheint uns, dass aus einer sol­chen nüch­ter­nen Fra­ge­stel­lung zunächst kei­ne unlös­ba­ren begriff­li­chen Pro­ble­me erwach­sen. Für eine mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik käme es wohl dar­auf an, die­sen Ver­such ernst­haft zu unternehmen.

Althus­ser sieht sehr rich­tig das infa­me Poten­ti­al eines sol­chen Ansat­zes: Auch heu­te noch wür­de es als ein Zei­chen der größ­ten Respekt­lo­sig­keit auf­ge­fasst, wür­de man lei­ten­de Lehr­per­so­nen, zumal aus dem „lin­ken“ Spek­trum, auf­for­dern, ihr phi­lo­so­phi­sches und theo­re­ti­sches Tun in ein kohä­ren­tes poli­ti­sches Pro­gramm einer lin­ken Glo­bal­stra­te­gie ein­zu­ord­nen. Eine sol­che nur all­zu nach­voll­zieh­ba­re, ja grund­le­gen­de For­de­rung wür­de als rei­ne Dreis­tig­keit abge­schmet­tert, nicht ohne den Hin­weis, dass so etwas wie eine glo­ba­le Stra­te­gie oder gar ein kohä­ren­tes, selbst-reflek­tier­tes For­schungs­pro­gramm über­haupt gar nicht mög­lich sei in einer so dif­fe­ren­zier­ten Welt. Eine sol­che For­de­rung – und sei es nur nach einer schar­fen Grenz­zie­hung der Wis­sen­schafts­pra­xis[20] – wür­de als ein auto­ri­tä­res Hin­der­nis und über­haupt als unwis­sen­schaft­lich abge­tan wer­den. Einer sol­chen For­de­rung wür­de heu­te mit der exakt glei­chen Über­heb­lich­keit der Schul­p­hi­lo­so­phie begeg­net wer­den, die schon Lenins Kri­ti­ken ent­ge­gen­ge­schleu­dert wur­de und die Althus­ser so gut dar­stellt und ent­larvt. Althus­ser bezieht hier Stel­lung hin­ter Lenin gegen die­se Phi­lo­so­phie, dar­in besteht über­haupt sei­ne Aktua­li­tät für heute.

Mit die­ser Ein­stel­lung stellt sich Althus­ser den ideo­lo­gi­schen Her­aus­for­de­run­gen sei­ner Zeit: Der Begrün­dung des west­li­chen Mar­xis­mus auf Basis der mar­xis­ti­schen Phi­lo­so­phien von Georg Lukács und Anto­nio Gram­sci. Die­se bei­den und ihre diver­sen Nach­fol­ger, die

ihre Unge­duld gegen­über die­ser sehr lang­sam ent­ste­hen­den Phi­lo­so­phie nicht zügeln konn­ten und soweit gin­gen zu erklä­ren, die­se Phi­lo­so­phie sei schon längst ent­stan­den, und zwar zu Beginn, in den Feu­er­bach­the­sen, schon vor den Anfän­gen der mar­xis­ti­schen Wis­sen­schaft. Sie bewei­sen ihre The­se dann ein­fach mit dem Hin­weis, daß – da ja jede Wis­sen­schaft zum „Über­bau“ gehö­re und jede bestehen­de Wis­sen­schaft in ihrem Kern posi­ti­vis­tisch, weil bür­ger­lich sei – die mar­xis­ti­sche „Wis­sen­schaft“ nur phi­lo­so­phisch und der Mar­xis­mus nur eine Phi­lo­so­phie, eine nach-hegel­sche Phi­lo­so­phie oder eine „Phi­lo­so­phie der Pra­xis“ sein kön­ne.«[21]

Mehr oder weni­ger die gesam­te Geschich­te der Dege­ne­ra­ti­on der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen II. Inter­na­tio­na­le sei auf deren phi­lo­so­phi­sches Den­ken – und auf die damit ver­bun­de­nen Abwei­chun­gen vom Mar­xis­mus – zurückzuführen:

Die Abwei­chun­gen hei­ßen: Öko­no­mis­mus, Evo­lu­tio­nis­mus, Vol­un­ta­ris­mus, Huma­nis­mus, Empi­ris­mus, Dog­ma­tis­mus usw. Das sind im Grun­de phi­lo­so­phi­sche Abwei­chun­gen, und als sol­che wur­den sie auch von den gro­ßen Füh­rern der Arbei­ter­be­we­gung, vor allem Engels und Lenin ent­larvt.[22]

Doch über­le­gen wir genau: Was bedeu­tet hier der Ter­mi­nus „phi­lo­so­phi­sche Abwei­chun­gen“ tat­säch­lich? Was kann er sinn­haf­ter­wei­se bedeu­ten? Es gibt zwei Mög­lich­kei­ten. Soll damit gesagt sein, dass die Theo­re­ti­ker der II. Inter­na­tio­na­le auf phi­lo­so­phi­schem Gebiet vom rich­ti­gen Pfad abge­wi­chen sind, dass sie sich in eine inhalt­lich fal­sche Phi­lo­so­phie ver­strickt haben? Oder soll gera­de umge­kehrt gesagt sein, dass die Abwei­chung dar­in besteht, von dem nicht-phi­lo­so­phi­schen Den­ken, von einem streng wis­sen­schaft­li­chen Pfad aus in das Gebiet der Phi­lo­so­phie hin­ein abge­wi­chen zu sein? Besteht der Feh­ler gera­de dar­in, sich über­haupt auf phi­lo­so­phi­sches Den­ken ein­ge­las­sen zu haben, das schon sei­ner Form nach falsch ist?

Letzt­end­lich traut auch Althus­ser es sich eben­falls nicht zu, die Fra­ge nach der Stoß­rich­tung eines neu­en, moder­nen Den­kens (die er sel­ber mit so viel Nach­druck ange­sto­ßen hat) ein­deu­tig zu beant­wor­ten. Für 1968 war die Idee, es kön­ne einen wis­sen­schaft­li­chen Mar­xis­mus gera­de jen­seits der Phi­lo­so­phie geben, schein­bar noch eine Neu­heit – und ein Unding. Min­des­tens aber wur­de sie vor­ei­lig mit jenem Reduk­tio­nis­mus Sta­lin­scher Prä­gung ver­wech­selt, der den wis­sen­schaft­li­chen Gehalt des Mar­xis­mus auf weni­ge For­mel­sät­ze zu ver­ewi­gen trach­te­te und gegen den man sich daher ent­schie­den zur Wehr set­zen muss­te – unge­ach­tet des­sen, dass Althus­ser selbst die­ser „Abwei­chung“ wider­sprach. Auch der gro­ße Kri­ti­ker der Phi­lo­so­phen, Lenin, hat letzt­lich an der Idee einer mar­xis­ti­schen Phi­lo­so­phie – der Dia­lek­tik – fest­ge­hal­ten. Und vor ihm schon sah sich Engels genö­tigt, sich vor allem im Anti-Düh­ring zu phi­lo­so­phi­schen Fra­gen mar­xis­tisch zu äußern.

Doch die Leis­tung von Althus­ser besteht dar­in, die­sen Unwil­len, die­ses Stol­pern in die Phi­lo­so­phie hin­ein bei Engels und Lenin dar­zu­stel­len und auch zurecht dar­auf hin­zu­wei­sen, dass Marx’ eige­ne Trans­for­ma­ti­on gera­de in die Rich­tung eines Nicht-Phi­lo­so­phen ver­lief. Wir möch­ten daher vor­schla­gen, dass sich eine mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik, wenn sie einen Sinn haben soll, unbe­dingt auf eine sol­che Dia­lek­tik als unver­meid­li­che Not­wen­dig­keit der Dar­stel­lung bezie­hen muss – und kei­nes­falls einen phi­lo­so­phi­schen oder poli­ti­schen Gehalt in its own right ent­wi­ckeln sollte.

 

Die feh­len­de Außen­sei­te des Marxismus

 

Die Dia­lek­tik als Phi­lo­so­phie zu betrei­ben ist daher kei­nes­falls ein hin­rei­chen­des Kri­te­ri­um für eine genu­in mar­xis­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung und es liegt nahe zu ver­mu­ten, dass die Phi­lo­so­phie über­haupt nur eine Berech­ti­gung im mate­ria­lis­ti­schen Den­ken hat: Die Refle­xi­on auf das Den­ken selbst, wel­ches in mar­xis­ti­scher Spiel­art bedeu­ten muss, die Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen des Den­kens ana­log zu den gesell­schaft­li­chen Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen nach­zu­voll­zie­hen. Jene Refle­xi­on ist zwar zwin­gen­der Bestand­teil, die­ser ist aber nicht aus sich her­aus selbst­ver­ständ­lich, son­dern nur in Rekurs auf den spe­zi­fi­schen Erkennt­nis­an­spruch, die Gesell­schaft in ihrem inne­ren Zusam­men­hang zu erken­nen. Erst die Annah­me der Gesell­schaft als deter­mi­nier­tem Gan­zen bringt das Den­ken in einen pro­ble­ma­ti­schen Zusam­men­hang mit die­ser Tota­li­tät, der selbst Gegen­stand sein muss. Die­se Refle­xi­ons­fä­hig­keit ist eine spe­zi­fisch mar­xis­ti­sche Errungenschaft.

Nicht zuletzt spielt auch daher das dia­lek­ti­sche Den­ken heut­zu­ta­ge eine äußerst mar­gi­na­le Rol­le, die sich aus der Hin­fäl­lig­keit die­ses Erkennt­nis­an­spruchs ergibt, oder wie Dani­el Loick es sozi­al­phi­lo­so­phisch wen­det, der »Ver­ab­schie­dung der Idee einer gesell­schaft­li­chen Tota­li­tät, wel­che […] heu­te jeg­li­che Plau­si­bi­li­tät ver­lo­ren zu haben scheint«[23]. Wenn eine mar­xis­ti­sche Theo­rie in der mate­ria­lis­ti­schen Dia­lek­tik einen Sinn fin­det, dann die jenes Erkennt­nis­an­spruchs, den sie ermög­li­chen soll. Die­se Demar­ka­ti­on wur­de tat­säch­lich mit der Ver­ab­schie­dung eines ortho­do­xen Mar­xis­mus[24] für obso­let erklärt.

Das bemer­kens­wer­te dar­an ist zunächst, dass die Ver­ab­schie­dung der ortho­do­xen mar­xis­ti­schen Erkennt­nis­theo­rie im Namen des Mar­xis­mus selbst voll­zo­gen wur­de. In gewis­ser Wei­se hat sich so ein Mar­xis­mus her­aus­bil­den kön­nen, des­sen dezi­dier­tes Kenn­zei­chen es ist, nicht mehr mar­xis­tisch zu sein, da, wie Ernes­to Laclau und Chan­tal Mouf­fe Mit­te der 1980er Jah­re kon­sta­tie­ren, »wir ganz ein­fach fest­hal­ten [soll­ten], daß wir uns jetzt auf einem post-mar­xis­ti­schen Ter­rain befin­den«[25]. Gemeint ist der tief grei­fen­de Wan­del der Ver­hält­nis­se, in dem die mar­xis­ti­sche Erkennt­nis­theo­rie und ihre Ana­ly­sen »von einer Lawi­ne his­to­ri­scher Ver­än­de­run­gen, die den Boden spal­te­ten, auf dem die­se Wahr­hei­ten grün­de­ten, ernst­lich her­aus­ge­for­dert wor­den«[26] sind. Die Wahr­hei­ten des Mar­xis­mus selbst haben ihn in Miss­kre­dit gebracht, da sie die Ergeb­nis­se eines öko­no­mi­schen Reduk­tio­nis­mus, eines simp­len Basis-Über­bau-Modells mit linea­rem Deter­mi­na­ti­ons­zu­sam­men­hang und ein­deu­ti­ger Kau­sa­li­tät, sei­en, als deren Stich­wort­ge­ber Marx mit sei­nen Äuße­run­gen über das vom Sein bestimm­te Bewusst­sein immer wie­der galt.

Indem damit alle über­bau­li­chen Phä­no­me­ne der Deter­mi­na­ti­on durch die gesell­schaft­li­chen Pro­duk­ti­ons­ver­hält­nis­se unter­stellt wer­den, ver­sper­re sich die mar­xis­ti­sche Theo­rie den Blick auf die rea­le Kom­ple­xi­tät der Gesell­schaft, sie redu­zie­re alles auf den von ihr kon­sta­tier­ten öko­no­mi­schen Deter­mi­na­ti­ons­zu­sam­men­hang. Was es folg­lich zu über­win­den galt, lässt sich auf einen ein­fa­chen Nen­ner brin­gen: Deter­mi­nis­mus. Und tat­säch­lich: es ist das ers­te Kenn­zei­chen mar­xis­ti­scher Theo­rie­bil­dung (im ortho­do­xen Sin­ne), das Pri­mat der gesell­schaft­li­chen Deter­mi­na­ti­on über den epis­te­mo­lo­gi­schen Gra­ben hin­weg zu behaup­ten und zu ver­tei­di­gen. Die­ses Pri­mat der Deter­mi­na­ti­on ist Ein­satz und Vor­aus­set­zung der Theo­rie zugleich, es ist der mar­xis­ti­sche Erkennt­nis­an­spruch. Wir sind mitt­ler­wei­le zu jener fol­gen­rei­chen Gleich­set­zung von Deter­mi­nis­mus und Deter­mi­na­ti­on kon­di­tio­niert, die dem Bruch mit dem mar­xis­ti­schen Erkennt­nis­an­spruch zugrun­de liegt, dass es schwer fällt wahr­zu­neh­men, dass die mar­xis­ti­sche Theo­rie gegen den Deter­mi­nis­mus seit Marx selbst eine zen­tra­le inter­ne Refle­xi­ons­in­stanz besaß[27] und damit die Gleich­set­zung von Deter­mi­na­ti­on und Deter­mi­nis­mus in sich selbst ein haar­sträu­ben­der Reduk­tio­nis­mus bleibt. Dies deu­tet auf eine Hori­zont­ver­schie­bung auf der grund­le­gends­ten Ebe­ne des Den­kens hin, die das Pri­mat der Deter­mi­na­ti­on durch jenes der Kon­tin­genz ersetzte.

Wenn Marx mit einer idea­lis­ti­schen Vor­stel­lung der Dia­lek­tik, als einer Iden­ti­täts­phi­lo­so­phie in der das Den­ken dem Sein ent­spricht, bricht und statt­des­sen „das Sein das Bewusst­sein bestim­men“ lässt, dann ist das jene für den Mar­xis­mus bezeich­nen­de Ges­te der His­to­ri­sie­rung eines Tota­li­täts­den­kens, die aber die Erkennt­nis der Tota­li­tät in ihrer Deter­mi­na­ti­on zum Zwe­cke hat. Dies nicht anzu­er­ken­nen führt dann zu der Kon­se­quenz, in der Marx selbst die Nega­ti­on sei­ner eige­nen Ein­sicht in die Geschicht­lich­keit der Gesell­schaft zu attes­tie­ren, sodass er sei­ne eige­ne Radi­ka­li­tät nicht durch­hält, der puren Nega­ti­vi­tät am Grun­de der mensch­li­chen Frei­heit nicht Herr wer­den konn­te und sie zwangs­wei­se bän­di­gen muss­te, indem er »dem Kon­tin­genz­grund des Sozia­len […] die Fes­seln his­to­ri­scher Not­wen­dig­keit an[legt]«[28].

Die his­to­ri­sche Not­wen­dig­keit ist für Marx aber kein Taschen­spie­ler­trick, viel­mehr war es sein Erkennt­nis­pro­dukt, den Zusam­men­hang der Gesell­schaft als »bloß his­to­ri­sche Not­wen­dig­keit«[29] zu erfas­sen, als eine rea­le, nicht idea­li­siert her­ge­stell­te. Seit Marx gehört der »Gesichts­punkt der Tota­li­tät«[30] gewis­ser­ma­ßen zum Güte­kri­te­ri­um des Mar­xis­mus, des­sen Kern wie­der­um die Deter­mi­na­ti­on als Ein­satz und Bedin­gung der Erkennt­nis ist. Dies lässt sich vom tra­di­tio­nel­len bis zum west­li­chen Mar­xis­mus nach­voll­zie­hen, wobei letz­te­rer bereits an der Schwel­le der schein­ba­ren Unmög­lich­keit, die sich ver­än­der­ten Ver­hält­nis­se als Gan­zes zu begrei­fen, steht.[31] Wie Ador­no aus­for­mu­liert, wenn er anmerkt, »daß die gegen­wär­ti­ge Gesell­schaft in sich eine so kom­ple­xe und schwie­rig kon­stru­ier­te Sache ist, daß sie der Theo­rie […] sich wider­setzt«[32].

Ador­nos Bemü­hung um eine phi­lo­so­phi­sche Grund­le­gung der Gesell­schafts­theo­rie, die zugleich den Anspruch der Phi­lo­so­phie, Sys­tem zu sein, zurück­weist, als die not­wen­di­ge Täu­schung über den par­ti­el­len Cha­rak­ter der phi­lo­so­phi­schen Begriffs­bil­dung,[33] ist damit para­dig­ma­tisch für das Rin­gen um das Pri­mat der Deter­mi­na­ti­on und gegen den Deter­mi­nis­mus. Er bear­bei­tet damit genau jenes Tota­li­täts­pro­blem, dem sich auch Althus­ser gegen­über­sieht, dass sich also die his­to­ri­sche Erschei­nung der Gesell­schaft kaum mehr als Tota­li­tät begrei­fen lässt. Aber gera­de die­ser Schein – den Dani­el Loick als Argu­ment anführt – ist das, was in der Erkennt­nis ja durch­drun­gen wer­den soll und woge­gen sich Althus­ser theo­re­tisch mit der Über­de­ter­mi­nie­rung der über­bau­li­chen Phä­no­me­ne als struk­tu­rier­tes Gan­zes zur Wehr setzt.[34]

In Abgren­zung zum mar­xis­ti­schen Pri­mat der Deter­mi­na­ti­on ste­hen damit einer­seits Denk­sys­te­me, denen eben die­se Kom­po­nen­te fehlt, die wahl­wei­se gar kei­nen Begriff eines sol­chen Zusam­men­hangs besit­zen oder ihre Kräf­te dezi­diert dar­auf ver­wen­den, einen sol­chen zu leug­nen (Irra­tio­na­lis­mus, bür­ger­li­che Wis­sen­schaft, Gegen­auf­klä­rung – der Mar­xis­mus selbst hat vie­le Namen für sein Gegen­über). Ande­rer­seits Sys­te­me der blo­ßen Abs­trak­ti­on, deren Tota­li­täts­be­griff eben nicht die Refle­xi­on auf die Deter­mi­na­ti­on des Den­kens mit rich­ten. Die­se Gegen­über­stel­lung mag für uns heu­te befremd­lich erschei­nen, weil sie gewis­ser­ma­ßen den ana­chro­nis­ti­schen Dua­lis­mus zwi­schen bür­ger­li­cher, also nicht-mar­xis­ti­scher, Theo­rie und dem Mar­xis­mus vor­aus­setzt. Eine Prä­mis­se also, die wir schon über­wun­den geglaubt haben, mit dem Pro­zess der Öff­nung des Mar­xis­mus. Die­se Öff­nung bestand gera­de dar­in, von der so ver­hass­ten Deter­mi­na­ti­ons­in­stanz Abschied zu neh­men und die onto­lo­gi­sche Prä­mis­se der Kon­tin­genz selbst zu über­neh­men, als hät­te es nie­mals einen Marx­schen Geschichts­be­griff gege­ben. Im Ergeb­nis kann damit der »immense geschichts­phi­lo­so­phi­sche und wahr­heits­theo­re­ti­sche Bal­last des Dia­lek­tik­be­griffs abge­wor­fen«[35] wer­den, sodass »man […] kei­ne Mar­xis­tin (mehr) sein muss, um sich mit Marx zu beschäf­ti­gen«[36].

Jene Öff­nung des Mar­xis­mus ist zugleich der Anschluss an eine, wie man ger­ne sagt, post-fun­da­men­ta­lis­ti­sche Gesell­schafts­theo­rie, deren Grund­be­din­gung das Pri­mat der Kon­tin­genz bil­det. In den poli­ti­schen Gra­ben­kämp­fen der 1960er Jah­re wur­de die­se Grund­le­gung von ver­schie­de­nen Theo­re­ti­kern wie Fou­cault, Der­ri­da, Ran­ciè­re etc. vor­be­rei­tet, als direk­te Aus­ein­an­der­set­zung mit den poli­ti­schen und theo­re­ti­schen Ver­feh­lun­gen des Mar­xis­mus.[37] Die Lösung des Pro­blems eines ver­meint­lich tota­li­tä­ren Den­kens lag dabei in der radi­ka­len His­to­ri­sie­rung jeder theo­re­ti­schen Grund­la­ge, der Kri­tik der auto­ri­tä­ren Wis­sens­sys­te­me und mit­hin der Insti­tu­ie­rung radi­ka­ler Nega­ti­vi­tät als Aus­gangs­punkt des Den­kens selbst. Erkennt­nis kann in die­sem Zusam­men­hang nur jene künst­li­che Bän­di­gung der Kon­tin­genz bedeu­ten und ist damit erklär­ter Wider­spruch zur Freiheit.

Die­se theo­re­ti­sche Ent­wick­lung, auf die wir an ande­rer Stel­le genau­er Bezug genom­men haben,[38] ist von ent­schei­den­der Bedeu­tung für die heu­ti­ge Selbst­be­haup­tung einer mate­ria­lis­ti­schen Dia­lek­tik, da sich in die­ser die epis­te­mo­lo­gi­schen Koor­di­na­ten der­art ver­än­dert haben, dass es sich wahr­lich um eine Hori­zont­ver­schie­bung han­delt. Das Pri­mat der Kon­tin­genz ersetzt nicht nur intern der mar­xis­ti­schen Theo­rie ihr ortho­do­xes Güte­kri­te­ri­um, es regelt auch das Ver­hält­nis des Mar­xis­mus zu ande­ren Theo­rien neu, indem es auf ein Bekennt­nis zur gemein­sa­men Grund­la­ge der onto­lo­gi­schen Kon­tin­genz ver­pflich­tet. Auf die­sem Boden aber hat die Dia­lek­tik ihre Funk­ti­on zurecht ein­ge­büßt und ver­kommt zur ver­meint­li­chen Begriffs­zau­be­rei der Auf­lö­sung von Wider­sprü­chen, die im auf­klä­rungs­re­sis­ten­ten Para­do­xie­be­griff des Post­struk­tu­ra­lis­mus viel bes­ser ver­han­del­bar seien.

Die „Öff­nung des Mar­xis­mus“ in der fak­tisch nicht-dia­lek­ti­schen Erneue­rung eines Neo- oder Post­mar­xis­mus ist aber nicht ein­fach eine exter­ne Ent­wick­lung, sie hat viel­mehr theo­rie­im­ma­nen­te wie poli­tisch-stra­te­gi­sche Grün­de. Wir fin­den bei­spiels­wei­se bei Laclau die Idee, dass die Annah­me der uni­ver­sa­len Kon­tin­genz es erst erlau­be, jeg­li­chen fun­da­men­ta­lis­ti­schen Anspruch einer dis­kur­si­ven For­ma­ti­on anzu­grei­fen, die sie immer nur eine pre­kär sta­bi­li­sier­te hege­mo­nia­le Ord­nung dar­stel­le.[39] Auch bei Jac­ques Ran­ciè­re wird das Pri­mat der Kon­tin­genz so zum Wesen des Poli­ti­schen per se als »letzt­lich das Feh­len einer Arche, die rei­ne Kon­tin­genz jeder sozia­len Ord­nung«[40] und ulti­ma­tiv der Garant der Frei­heit, eben­so wie es den theo­re­ti­schen Hin­ter­grund bie­tet, die sich aus­dif­fe­ren­zier­ten poli­ti­schen und sozia­len Kämp­fe adäquat zu begrei­fen. Man muss nicht Poststrukturalist*in sein, um die­se popu­lä­re Grund­an­nah­me zu tei­len. Das Pri­mat der Kon­tin­genz ist längst zum geteil­ten Hori­zont der Gesell­schafts­theo­rie gewor­den. Gleich­zei­tig gerät dar­in min­des­tens in Ver­ges­sen­heit, dass eine sol­che Theo­rie nur auf Kos­ten des zen­tra­len Kri­te­ri­ums des Mar­xis­mus selbst zu haben war: der Deter­mi­na­ti­on, die nicht ein­fach als Geschmacks­fra­ge des Dog­ma­tis­mus abge­tan wer­den kann, son­dern die das Erkennt­nis­mo­ment der mate­ria­lis­ti­schen Dia­lek­tik über­haupt bildet.

Die Abgren­zung mar­xis­ti­scher Theo­rie, die für sich eine mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik bean­sprucht, ist vor die­sem Hin­ter­grund ein schwie­ri­ges Unter­fan­gen. Jeden­falls solan­ge, wie sie sich die­ser fun­da­men­ta­len Dis­kre­panz zu ihrem eige­nen Außen nicht im Kla­ren sein kann, stimmt sie bedin­gungs­los in den Abge­sang auf den theo­re­ti­schen Ein­satz ein, der ihr genui­nes Merk­mal war: der Kon­zep­ti­on gesell­schaft­li­cher Deter­mi­na­ti­on im Tota­li­täts­be­griff. Die weit­hin geteil­te Vor­stel­lung, »dass der Onto-Theo-Teleo­lo­gis­mus bei Marx unaus­rott­bar ist«[41], ist die Grund­la­ge eines theo­re­ti­schen Anti-Mar­xis­mus, der in der Theo­rie­land­schaft Ein­zug gehal­ten hat. In gewis­ser Wei­se ist es die theo­re­ti­sche Ent­spre­chung des poli­ti­schen Anti-Kom­mu­nis­mus, der nicht nur bei den Advokat*innen von Tota­li­ta­ris­mus­theo­rien, son­dern auch bei vie­len ehe­ma­li­gen Lin­ken zu fin­den ist.[42] Für die Igno­ranz gegen­über den (min­des­tens) epis­te­mo­lo­gi­schen Kon­se­quen­zen eines sol­chen Anti-Mar­xis­mus erhel­lend ist bei­spiels­wei­se Ágnes Hel­lers Bekennt­nis, dass »einer der wich­tigs­ten Grün­de [ihres] rein uto­pi­schen Enthu­si­as­mus für die Neue Lin­ke [des geöff­ne­ten Mar­xis­mus; FG/AS …] die Feind­se­lig­keit der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei gegen die­se „anar­chis­ti­sche“ Bewe­gung [war]«[43]. Die reflex­haf­te Abgren­zung gegen den erstarr­ten Mar­xis­mus macht jede Alter­na­ti­ve wün­schens­wert, erst recht jene, die die theo­re­ti­sche Offen­heit zum Pro­gramm erklärt und es damit ermög­licht, den ortho­do­xen Mar­xis­mus als blo­ße Ideo­lo­gie zu ent­lar­ven. Denn sol­che »poli­ti­schen Ideo­lo­gien, beson­ders wenn sie Mil­lio­nen Lei­chen „pro­du­zie­ren“ , soll­ten tief begra­ben wer­den«[44].

Kern des Anti-Mar­xis­mus ist eben die Abgren­zung vom Erkennt­nis­an­spruch einer objek­ti­ven Welt­erkennt­nis – die sich selbst­ver­ständ­lich nur über den inne­ren Zusam­men­hang einer Gedan­ken­to­ta­li­tät ver­mit­teln lie­ße – und das Bekennt­nis zum Pri­mat der Kon­tin­genz. Des­halb fällt dies auch mit der Abkehr von der Dia­lek­tik zusam­men, die schlicht­weg nutz­los gewor­den ist, wo sie nicht mehr an jenes Erkennt­nis­ziel her­an­rei­chen kann. Ein zukunfts­taug­li­cher Mar­xis­mus müs­se daher vor allem »selbst­re­fle­xiv«, »plu­ral« und »demo­kra­tisch«[45] sein und sei­ne »neue „Unbe­fan­gen­heit“«[46] ermög­licht ihm nur das Bekennt­nis zur Akzep­tanz der feh­len­den Kau­sa­li­tät, Deter­mi­niert­heit oder anders­ar­ti­gen Kohä­renz des Gesell­schaft­li­chen. Die sich so her­aus­ge­bil­de­te apo­lo­ge­ti­sche Grund­hal­tung des zeit­ge­nös­si­schen Mar­xis­mus – immer erst beteu­ern zu müs­sen, dass man mit Mar­xis­mus nicht den Deter­mi­nis­mus der Ortho­do­xie mei­ne – führt damit aber auch ihren dia­lek­ti­schen Ein­satz ad Absur­dum. Was ein­zig noch mög­lich zu sein scheint ist der phi­lo­so­phi­sche Gebrauch einer Dia­lek­tik, der damit als Kenn­zei­chen der mar­xis­tisch-kri­ti­schen Grund­hal­tung die­nen soll, dem aber in genau die­ser Ver­si­on die Zäh­ne gezo­gen wur­den. Dort wo Dia­lek­tik nur ein wei­te­res Spiel­an­ge­bot ist, mit den gro­ßen Mys­te­ri­en der post­mo­der­nen Gesell­schaft in all ihren Kontingenz‑, Hybridisierungs‑, Verflüssigungs‑, Stra­ti­fi­zie­rungs­ten­den­zen einen beschrei­ben­den Umgang zu fin­den, ist sie selbst nur Mys­ti­zis­mus im schlech­tes­ten Sin­ne. Und genau­ge­nom­men ent­springt die­se Ten­denz zum phi­lo­so­phi­schen Gebrauch erst aus der theo­re­ti­schen Schwä­che des Mar­xis­mus selbst, in der Auf­ga­be sei­ner Erkennt­nis­stär­ke also, die dann in mys­ti­fi­zier­ter Form (und dem Anschein einer hoch­gra­dig idea­li­sier­ten Kri­tik) wie­der Ein­zug fin­den soll und dar­in aber hohl blei­ben muss.

Der rich­ti­ge Ver­weis, dass Marx selbst die Dia­lek­tik als Aus­weg aus dem Deter­mi­nis­mus ein­ge­setzt habe, ver­kommt daher in der Les­art, ihn als einen Klas­si­ker der Sozio­lo­gie etc. vor­zu­füh­ren, zu dem blo­ßen Hin­weis dar­auf, wie essen­ti­ell die Aner­ken­nung der gesell­schaft­li­chen Über­kom­ple­xi­tät sei. Die Dia­lek­tik ist dann nur noch Kron­zeu­ge die­ser Abkehr vom mar­xis­ti­schen Erkennt­nis­an­spruch, die die eigent­li­che Wahr­heit hin­ter der For­mel ist, Marx nicht mehr als Mar­xis­ten lesen zu müs­sen. Der Dreh dar­in bleibt aber, dass die Dia­lek­tik ohne die­sen epis­te­mo­lo­gi­schen Ein­satz, der der Theo­rie nach ja genau deren prak­ti­sche Kon­se­quenz bedingt, halt­los bleibt und uns in ihrer feti­schi­sier­ten Form, mit­hin idea­li­siert, ent­ge­gen­tritt. Hier hilft auch nicht der blo­ße Ver­weis, sie müs­se mate­ria­lis­tisch wer­den, beson­ders nicht in Zei­ten eines hoch­gra­dig mys­ti­fi­zier­ten Mate­ria­lis­mus­be­griffs, wie er bei­spiels­wei­se im Rah­men eines new mate­ria­list turn Anwen­dung fin­det, der sich selbst zwar unsi­cher über etwai­ges Poten­zi­al einer Gesell­schafts­kri­tik ist, dafür aber »ein gan­zes Uni­ver­sum an Kate­go­rien und Dis­zi­pli­nen [beinhal­tet]«, deren »Kon­stel­la­tio­nen als grund­le­gend durch Kon­tin­genz struk­tu­riert zu begrei­fen [sind]«[47].

Zie­hen wir zur Ver­deut­li­chung das Bei­spiel der gegen­wär­ti­gen Sozi­al­phi­lo­so­phie im ver­meint­li­chen Anschluss an die Kri­ti­sche Theo­rie der Frank­fur­ter Schu­le her­an: Sowohl Axel Hon­neth wie sei­ne Schü­le­rin Rahel Jaeg­gi haben in die­sem Kon­text jeweils bedeu­ten­de Neu­in­ter­pre­ta­tio­nen mar­xis­ti­scher Grund­be­grif­fe vor­ge­legt. Hon­neths Ver­such über den Sozia­lis­mus[48] und Jaeg­gis jüngst neu auf­ge­leg­te Abhand­lung über Ent­frem­dung[49] ste­hen bei­de im Lich­te jener theo­re­ti­schen Her­ab­stu­fung, die getrost als Devo­lu­ti­on bezeich­net wer­den kann. Der Sozia­lis­mus soll von sei­nem öko­no­mis­ti­schen Bal­last befreit (von sei­nem Poten­ti­al zur radi­ka­len Gesell­schafts­kri­tik also) und als Gerech­tig­keits­theo­rie neu belebt wer­den, wohin­ge­gen Ent­frem­dung von der gesell­schafts­theo­re­ti­schen auf die sozi­al­phi­lo­so­phi­sche Dimen­si­on beschränkt wer­den soll, um ihn zur Dia­gnos­tik von Sozi­al­phä­no­me­nen noch trag­bar zu machen. Es ist nur kon­se­quent, dass Axel Hon­neth sich im Vor­wort zu Jaeg­gis Stu­die dann über Ver­fech­ter der Begrif­fe von gesell­schafts­theo­re­ti­schem Niveau wun­dert, »die Autoren, allen vor­an Ador­no, hät­ten doch wis­sen müs­sen, dass der Begriff auf Prä­mis­sen beruht, die ihren eige­nen Ein­sich­ten in die Fall­stri­cke vor­schnel­ler Ver­all­ge­mei­ne­run­gen und Objek­ti­vie­run­gen wider­spre­chen«[50]. Aus heu­ti­ger Sicht hät­te die mar­xis­ti­sche Theo­rie also doch wis­sen müs­sen, dass ihr Erkennt­nis­an­spruch auf fal­schen Prä­mis­sen beruht. Es ist schwer, den Mar­xis­mus in Aner­ken­nung die­ser anti-mar­xis­ti­schen Sicht­wei­se zu verteidigen.

 

Für ein Fest­hal­ten am Marxismus

 

Die feh­len­de Außen­sei­te des Mar­xis­mus soll vor Augen füh­ren, dass es wenig bis kei­nen Sinn hat, über mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik zu spre­chen, ohne über eine expli­zi­te Vor­stel­lung davon zu ver­fü­gen, wel­chen Bei­trag die­se in den gege­be­nen Rah­men­be­din­gun­gen über­haupt leis­ten soll. Eine mate­ria­lis­ti­sche Sicht unter­schei­det sich von einem blo­ßen Posi­ti­vis­mus in ihrer Erkennt­nis­fä­hig­keit, also der Fähig­keit zur Erkennt­nis der sozia­len Welt im Gegen­satz zu einer rei­nen Beschrei­bung.[51] Das Pri­mat der Kon­tin­genz ver­ab­schie­det die­ses Erkennt­nis­po­ten­ti­al, da jenes grund­le­gend auf einen Tota­li­täts­be­griff, auf den deter­mi­nie­ren­den Zusam­men­hang, ange­wie­sen ist und bleibt, nicht zum Selbst­zweck oder aus der Bequem­lich­keit des Dog­ma­tis­mus her­aus, son­dern weil es ange­nom­me­ner Wei­se so ist. Um einen sol­chen Begriff aber durch­hal­ten zu kön­nen bezie­hungs­wei­se ihn der mate­ri­el­len Wirk­lich­keit ent­spre­chend ent­fal­ten zu kön­nen, muss es eine dia­lek­ti­sche Ver­mitt­lung der in ihm auf­ge­ho­be­nen Momen­te geben. Aber eben nicht ein­fach nur irgend­ei­ne Dia­lek­tik, son­dern jene, die selbst in der Tota­li­tät der Gesell­schaft ver­mit­telt ist – und zwar sowohl als Pro­zes­sie­rung der rea­len Wider­sprü­che wie auch als eine in die­sen Wider­sprü­chen grün­den­de Ope­ra­ti­on des Den­kens. Sprich, die Dia­lek­tik muss mate­ria­lis­tisch sein.

Zeit­ge­nös­si­sche Ansät­ze nei­gen dazu, para­do­xer­wei­se gera­de durch einen empha­ti­schen Bezug auf „erneu­er­te“ Begrif­fe des Mate­ria­lis­mus und der Dia­lek­tik die ursprüng­li­che Radi­ka­li­tät der mate­ria­lis­ti­schen Dia­lek­tik, wie wir sie bei Marx zu fin­den glau­ben, zu unter­gra­ben – in der Hoff­nung, wenigs­tens etwas der mar­xis­ti­schen Ter­mi­no­lo­gie in einer der Form nach ver­än­der­ten Wis­sen­schafts­welt hin­über­zu­ret­ten. Die Dis­kus­si­on um mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik bleibt des­halb Spie­gel­fech­te­rei, solan­ge davor zurück­ge­schreckt wird, die­sen Form­wan­del selbst mitzuerklären.

Die gesam­mel­ten Anhalts­punk­te legen die The­se nahe, dass der Mar­xis­mus Wett­lauf gegen die Deter­mi­na­ti­on mit den­je­ni­gen Theo­rien, die der Kon­tin­genz der sozia­len For­men von Anfang an das Pri­mat ein­räu­men, nicht gewin­nen kann. Wenn eine mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik für die Her­aus­for­de­run­gen eine Hil­fe sein will, die die Poli­tik­ent­wür­fe der Kon­tin­genz an ihre ein­gangs skiz­zier­ten Gren­zen brin­gen, so kann sie das ganz offen­bar nur, wenn sie nicht ein­fach als schlech­te Kopie der Abge­sän­ge auf die Deter­mi­na­ti­on fun­giert, sie muss viel­mehr einen genu­in ande­ren Lösungs­weg anbie­ten. Bevor also über­haupt über mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik zu reden ist, müss­te zunächst ein­mal wie­der geklärt wer­den, wie die­se Her­aus­for­de­run­gen beschaf­fen sind; die For­schung müss­te dem­entspre­chend auch mit einer soli­da­ri­schen, aber radi­ka­len Kri­tik des Pri­mats der Kon­tin­genz beginnen.

Dadurch wür­de beson­ders die Dia­lek­tik ihren Nim­bus als mys­te­riö­se Wech­sel­wir­kung able­gen, die zau­ber­haft noch ein Mehr als die Sum­me ihrer Tei­le erzeugt. Die Bestim­mung des mate­ria­lis­ti­schen und dia­lek­ti­schen Anteils des Den­kens ver­läuft über das, was Althus­ser den Erkennt­nis­ef­fekt nen­nen wür­de. Und für die­sen Erkennt­nis­ef­fekt – oder bes­ser: ihn erzeu­gen zu kön­nen – steht die mar­xis­ti­sche Theo­rie ein und muss daher auch an ihm gemes­sen wer­den kön­nen. Für die­sen Erkennt­nis­an­spruch braucht es die mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik über­haupt; anders­her­um ist sie ohne ihn nur eine wei­te­re Form des Den­kens, die kei­ner­lei Begrün­dung für ihre Exis­tenz ange­ben kann, da sie gegen die ver­meint­lich inter­es­san­te­ren und inspi­rie­ren­den Denkar­ten von Agam­ben bis Zyg­munt Bau­man nicht ankommt.[52] Muss sie aber auch nicht, denn sie ist nicht auf jenem Ter­rain der Phi­lo­so­phie ange­sie­delt, auf dem sich erst das Den­ken zum Selbst­zweck zu behaup­ten hät­te. Sie besitzt mit der Dia­lek­tik ein phi­lo­so­phi­sches Moment, von dem sie sich aber nicht vom wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­mo­ment abbrin­gen las­sen muss, wel­ches ihre prak­ti­sche Kon­se­quenz bezeugt: Die Welt erken­nen, um sie ver­än­dern zu können.

 

von Flo­ri­an Geisler/Alex Struwe

 

[1] Marx, Karl 1958: The­sen über Feu­er­bach. In: Karl Marx/Friedrich Engels: MEW. Band 3. Ber­lin: Dietz, 7.

[2] Marx 1958: The­sen über Feu­er­bach, 6.

[3] Marx, Karl 1961a: Zur Kri­tik der Poli­ti­schen Öko­no­mie. In: Karl Marx/Friedrich Engels: MEW. Band 13. Ber­lin: Dietz, 9.

[4] Marx 1958: The­sen über Feu­er­bach, 5.

[5] Vgl. Geis­ler, Florian/Struwe, Alex 2016: The Noti­on of ‚Cri­sis‘ and the Devo­lu­ti­on of Theo­ry. In: Adria­na Zaharijevic/Igor Cvejic/Mark Loson­cz (Hrsg.): Thin­king bey­ond Capi­ta­lism. Bel­gra­de: Uni­ver­si­ty of Bel­gra­de, im Erscheinen.

[6] Vgl. Korsch, Karl 1967: Karl Marx. Frank­furt (Main): Euro­päi­sche Ver­lags­an­stalt, 12.

[7] Marx, Karl 1962: Das Kapi­tal. Kri­tik der poli­ti­schen Öko­no­mie, Ers­ter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: MEW, Band 23, Ber­lin: Dietz. 560.

[8] Ebd., 181.

[9] Ebd., 180.

[10] Vgl. Korsch, Karl 1993: Mar­xis­mus und Phi­lo­so­phie. Gesamt­aus­ga­be, Band 3. Ams­ter­dam: Offizin.

[11] Arndt, Andre­as 2013: „… unbe­dingt das letz­te Wort aller Phi­lo­so­phie“. Marx und die hegel­sche Dia­lek­tik. In: Rahel Jaeggi/Daniel Loick (Hrsg.): Karl Marx – Per­spek­ti­ven der Gesell­schafts­kri­tik. Ber­lin: Aka­de­mie Ver­lag, 29.

[12] Ebd., 31.

[13] Ebd., 34

[14] Ebd.

[15] Althus­ser, Lou­is 1974: Lenin und die Phi­lo­so­phie. Rein­bek: Rowohlt, 18.

[16] Vgl. ebd., 20.

[17] Engels, Fried­rich 1962: Der Ursprung der Fami­lie, Des Pri­vat­ei­gen­tums und des Staats. In: Karl Marx/Friedrich Engels: MEW, Band 21. Ber­lin: Dietz, 168.

[18] Althus­ser 1974: Lenin und die Phi­lo­so­phie, 22.

[19] Ebd., 14

[20] Wir haben hier bei­spiels­wei­se das kol­lek­ti­ve Auf­at­men im Anschluss an Rahel Jaeg­gis Ver­kün­di­gung, dass man end­lich kein Mar­xist mehr sein müs­se, um sich mit Marx zu „beschäf­ti­gen“; Vgl. Jaeg­gi, Rahel/Loick, Dani­el 2014: Marx’ Aktua­li­tä­ten – Zur Ein­lei­tung. In: Dies. (Hrsg.): Nach Marx. Phi­lo­so­phie, Kri­tik, Pra­xis. Ber­lin: Suhr­kamp, 12.

[21] Althus­ser 1974: Lenin und die Phi­lo­so­phie, 24; Herv. im Orig.

[22] Ebd., 25.

[23] Loick, Dani­el 2012: Kri­tik der Sou­ve­rä­ni­tät. Frank­furt (Main): Cam­pus, 23.

[24] Die Irri­ta­ti­on, wel­che jener Begriff der Ortho­do­xie her­vor­ru­fen mag, ist dabei sym­pto­ma­tisch. Gemeint ist aber nur die Stren­ge der Erkennt­nis­fä­hig­keit, nicht der Dog­ma­tis­mus, für den die Ortho­do­xie immer wie­der Pate ste­hen muss.

[25] Laclau, Ernesto/Mouffe, Chan­tal 2012: Hege­mo­nie und radi­ka­le Demo­kra­tie. Zur Dekon­struk­ti­on des Mar­xis­mus. Wien: Pas­sa­gen, 34.

[26] Ebd., 31.

[27] Es ist nicht Marx, der eine Theo­rie der gesell­schaft­li­chen Tota­li­tät zu ihrer Erstar­rung im Deter­mi­nis­mus fort­führt, ganz im Gegen­teil, der Marx­sche Impuls ist gera­de der einer Kri­tik an der Theo­rie der Tota­li­tät: nament­lich Hegels Theo­rie der bür­ger­li­chen Gesellschaft.

[28] Mar­chart, Oli­ver 2014: Mit Marx am Strand. Die nega­ti­ve Onto­lo­gie des Mar­xis­mus. In: Rahel Jaeggi/Daniel Loick (Hrsg.): Nach Marx. Phi­lo­so­phie, Kri­tik, Pra­xis. Frank­furt (Main): Suhr­kamp, 494.

[29] Marx, Karl 1983: Grund­ris­se der Kri­tik der poli­ti­schen Öko­no­mie. In: Karl Marx/Friedrich Engels: MEW, Band 42, Ergän­zungs­band. Ber­lin: Dietz, 716.

[30] Lukács, Georg 1970: Geschich­te und Klas­sen­be­wusst­sein. Stu­di­en über die mar­xis­ti­sche Dia­lek­tik. Neuwied/Berlin: Luch­ter­hand, 94.

[31] Was mit­hin als so etwas wie die unter­schwel­li­ge Ent­ste­hungs­be­din­gung des West­li­chen Mar­xis­mus ins­ge­samt betrach­tet wer­den kann. Vgl. Ander­son, Per­ry 1978: Über den west­li­chen Mar­xis­mus. Frank­furt (Main): Syndikat.

[32] Ador­no, Theo­dor W. 1998: Phi­lo­so­phi­sche Ele­men­te einer Theo­rie der Gesell­schaft. Nach­ge­las­se­ne Schrif­ten, Band 12. Frank­furt (Main): Suhr­kamp, 45.

[33] Vgl. Ador­no, Theo­dor W. 1966: Nega­ti­ve Dia­lek­tik. Frank­furt (Main): Suhr­kamp, 18 ff.

[34] Vgl. Althus­ser, Lou­is 2011: Für Marx. Frank­furt (Main): Suhr­kamp, 250 ff.

[35] Loick 2012: Kri­tik der Sou­ve­rä­ni­tät, 23 f.

[36] Jaeggi/Loick 2014: Marx’ Aktua­li­tä­ten, 12.

[37] Vgl. etwa Scho­ch, Bru­no 1980: Mar­xis­mus in Frank­reich seit 1945. Frank­furt (Main)/New York: Campus.

[38] Vgl. etwa Geis­ler, Florian/Struwe, Alex 2016: The Dialec­ti­cal Chal­len­ge of Bio­po­li­tics: On the Epis­te­mo­lo­gi­cal Bre­ach bet­ween Fou­cault and Mar­xism. In: Adria­na Zaharijevic/Igor Cvejic/Mark Loson­cz (Hrsg.): Enga­ging Fou­cault. Vol. 1. Bel­gra­de: Uni­ver­si­ty of Bel­gra­de, 155–167.

[39] Vgl. Laclau, Ernes­to 2002: Eman­zi­pa­ti­on und Dif­fe­renz. Wien: Turia + Kant.

[40] Ran­ciè­re, Jac­ques 2002: Das Unver­neh­men. Poli­tik und Phi­lo­so­phie. Frank­furt (Main): Suhr­kamp, 45; Herv. im Orig.

[41] Der­ri­da, Jac­ques 2014: Poli­tik und Freund­schaft. Gesprä­che über Marx und Althus­ser. Wien: Pas­sa­gen, 94.

[42] Man den­ke bei­spiels­wei­se an die Neu­en Phi­lo­so­phen um André Glucks­mann in Frank­reich, zu denen Alain Badiou abschät­zig meint, es sei­en Thermidorianer.

[43] Hel­ler, Ágnes 2015: Vor­wort. In: Han­no Plass (Hrsg.): Klas­se – Geschich­te – Bewusst­sein. Was bleibt von Georg Lukács’ Theo­rie? Ber­lin: Ver­bre­cher Ver­lag, 8.

[44] Ebd., 29.

[45] Dör­re, Klaus 2015: Marx­sche Theo­rie und kri­ti­sche Sozio­lo­gie. Acht The­sen zu einer Wahl­ver­wandt­schaft. In: Alex Demirović/Sebastian Klauke/Etienne Schnei­der (Hrsg.): Was ist der „Stand des Mar­xis­mus“? Sozia­le und epis­te­mo­lo­gi­sche Bedin­gun­gen einer kri­ti­schen Theo­rie heu­te. Müns­ter: West­fä­li­sches Dampf­boot, 45; 42.

[46] Jaeggi/Loick 2014: Marx’ Aktua­li­tä­ten, 13.

[47] Goll, Tobias/Keil, Daniel/Telios, Tho­mas 2013: Ein­lei­tung. In: Dies. (Hrsg.): Cri­ti­cal Mat­ter. Dis­kus­sio­nen eines neu­en Mate­ria­lis­mus. Müns­ter: Edi­ti­on Assem­bla­ge, 8.

[48] Vgl. Hon­neth, Axel 2015: Die Idee des Sozia­lis­mus. Ver­such einer Aktua­li­sie­rung. Ber­lin: Suhrkamp.

[49] Vgl. Jaeg­gi, Rahel 2016: Ent­frem­dung. Zur Aktua­li­tät eines sozi­al­phi­lo­so­phi­schen Pro­blems. Ber­lin: Suhrkamp.

[50] Ebd., 7.

[51] In genau die­sem Sin­ne ist bei­spiels­wei­se Fou­cault, der Initia­tor des Pri­mats der Kon­tin­genz, in sei­ner, wie Paul Vey­ne betont, revo­lu­tio­nä­ren Rol­le »der ers­te voll­stän­dig posi­ti­vis­ti­sche His­to­ri­ker«; Vey­ne, Paul 1992: Fou­cault: Die Revo­lu­tio­nie­rung der Geschich­te. Frank­furt (Main):Suhrkamp, 8.

[52] Wie Phil­ipp Felsch jüngst daher pas­send zusam­men­fass­te, war das damals »neue[…] Den­ken, […] das mit dem Sound der Dia­lek­tik brach« eines, das »wich­ti­ge­re Auf­ga­ben zu haben [schien], als wahr zu sein«; Felsch, Phil­ipp 2015: Der lan­ge Som­mer der Theo­rie. Geschich­te einer Revol­te 1960–1990. Mün­chen: C.H. Beck, 13.

Ein Kommentar

  1. Hal­lo,

    ich habe Ihren Text auf http://www.praxisphilosophie.de/erkenntnistheorie_und_dialektik_242.htm implementiert:

    Geis­ler, Flo­ri­an / Stru­we, Alex: Mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik als Theo­rie der Gesell­schaft. [ Die Abgren­zung mar­xis­ti­scher Theo­rie, die für sich eine mate­ria­lis­ti­sche Dia­lek­tik bean­sprucht, ist vor die­sem Hin­ter­grund ein schwie­ri­ges Unter­fan­gen ] Als Online­text bei materialismus.org.

    Wegen einer aktu­el­len upload Stö­rung bei Tele­kom wird das erst spä­ter wirksam.

    Mit freund­li­chem Gruß

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.