Feminismus und Marxismus

 

Buchbe­sprechung zu Cinzia Arruz­za: Fem­i­nis­mus und Marx­is­mus. Eine Einführung

2017 | 142 Seit­en kar­toniert |  12,80 € | isp-pock­et 70 | ISBN 978–3899000702

 

Cinzia Arruz­zas Beiträge berühren eines der wichtig­sten Kern­prob­leme gegen­wär­tiger Gesellschaft­s­the­o­rie: die Frage nach dem his­torischen, the­o­retis­chen und sys­tem­a­tis­chen Zusam­men­hang von Frauen- und Arbeiter*innenbewegung. Im Herb­st 2017 ist nun im Neuen ISP Ver­lag eine deutschsprachige Ver­sion ihres erfol­gre­ichen Buch­es Dan­ger­ous Liaisons, Mar­riages and Divorces of Marx­ism and Fem­i­nism erschienen.

Arruz­za gehört zu den Vertreter*innen ein­er zeit­genös­sis­chen mate­ri­al­is­tisch-fem­i­nis­tis­chen The­o­rie. Den Dok­tor­ti­tel erlangte Arruz­za 2005 an der Uni­ver­sität Tor Ver­ga­ta in Rom. Im Bere­ich Philoso­phie und Gesellschaft­skri­tik tritt Arruz­za mit einem Schw­er­punkt auf das Werk Pla­tons, ein­er aus­geprägten Per­spek­tive auf Genese und Geschichte des Marx­is­mus sowie durch Über­set­zun­gen von Werken u.a. von Slavoj Žižek und Daniel Ben­saïd her­vor. Dan­ger­ous Liaisons liegt auf ital­ienisch, spanisch und por­tugiesisch schon seit 2010, auf englisch seit 2013 vor.

 

Alte Prob­leme …

Um das Feld des mate­ri­al­is­tis­chen Fem­i­nis­mus gibt es eine seit vie­len Jahren anhal­tende Diskus­sion, die aus sehr ver­schiede­nen Rich­tun­gen geführt wird. Etwa von Nan­cy Fras­er, die das materielle Prob­lem von ungle­ich­er Verteilung als kom­ple­men­täre Dimen­sion des Prob­lems von ungle­ich­er Anerken­nung inter­pretiert,[1] oder von Sil­via Kon­tos, die trotz ein­er radikalen Kri­tik am „fröh­lichen Etatismus“ viel­er Frauen­be­we­gungsini­tia­tiv­en, die „das tra­di­tionelle Geschlechter­ver­hält­nis weit­ge­hend intakt lassen“ für eine Fort­führung von plu­ralen, nor­ma­tiv­en und juris­tis­chen Auseinan­der­set­zun­gen im Rah­men mod­ern­er Staat­en plädiert[2], um nur zwei Blick­winkel aus ein­er bre­it­en und schw­er zu ord­nen­den Diskus­sion anzuführen.

Arruz­zas Beitrag unter­schei­det sich von solchen Posi­tio­nen dadurch, dass sie das Verbindung­sprob­lem von Marx­is­mus und Fem­i­nis­mus – das tat­säch­lich evi­dent ist sowohl auf his­torisch­er[3] als auch logis­ch­er[4] Ebene – nicht vorschnell in eine Rich­tung auflöst. Anders als für andere Autor*innen ist für Arruz­za wed­er der Nieder­gang des Marx­is­mus bere­its ein vol­l­zo­genes Fak­tum noch seine vorge­bliche Unfähigkeit bewiesen, the­o­retis­che Fra­gen rund um die Aus­beu­tung und Unter­drück­ung von Frauen* zu beant­worten, wie vielfach argu­men­tiert wird. Es kön­nte gesagt wer­den, Arruz­za gehört zu den weni­gen, die die Frage nach ein­er Verbindung von Marx­is­mus und Fem­i­nis­mus wirk­lich als Frage bzw. als the­o­retis­che Her­aus­forderung stellen. Arruz­za selb­st nimmt zurecht in Anspruch, ihre Darstel­lung folge zumin­d­est „ein­er Logik und Ein­teilung, die in der fem­i­nis­tis­chen Diskus­sion nicht all­ge­mein gebräuch­lich sind, son­dern sich an einem ungelösten, aber umso dringlicheren poli­tis­chen Prob­lem ori­en­tieren“ (129).

Eine solche Fragestel­lung schreckt dabei zunächst zwei Arten von Lesepub­likum ab: Erstens diejeni­gen, die ohne Frage von der Vere­in­barkeit von Marx­is­mus und Fem­i­nis­mus überzeugt sind. Diesem Pub­likum wird wenig gefall­en, wenn Arruz­za an die vie­len sys­tem­a­tis­chen Prob­leme dieser bei­den poli­tis­chen Bewe­gun­gen erin­nert – etwa daran, „dass in der Ersten Inter­na­tionale [der, in der Karl Marx aktiv war] den Frauen die Teil­nahme ver­wehrt war“ (52). Oder daran, dass auch für die Paris­er Com­mune „nie zur Debat­te [stand], das Wahlrecht auf die Frauen auszudehnen“ (53). Von der Weigerung der europäis­chen kom­mu­nis­tis­chen Parteien, Kam­pag­nen für ein Frauen­wahlrecht zu unter­stützen, ihrem Kon­ser­vatismus sowie natür­lich dem Nieder­gang ein­er emanzi­pa­torischen Frauen*-, Geschlechter- und Sex­u­al­ität­spoli­tik in der Sow­je­tu­nion nach der unmit­tel­bar rev­o­lu­tionären Peri­ode gar nicht erst zu reden. Arruz­za find­et immer wieder Beispiele, die schmerzen: Die vielfachen Rückzieher der CGT (vgl. 62) genau­so wie den Maskulin­is­mus der US-amerikanis­chen Studieren­den- und Black-Pow­er-Bewe­gun­gen (vgl. 67) und viele weitere.

Die vie­len Neg­a­tivbeispiele mögen zunächst ent­muti­gen, doch Arruz­za kommt das unzweifel­hafte Ver­di­enst zu, ger­ade damit einen wichti­gen Nerv zu tre­f­fen. In diesem Buch wird ange­sprochen, was nicht funk­tion­iert zwis­chen Fem­i­nis­mus und Marx­is­mus. Und erst an diesen Bruch­stellen ist es möglich, zu mehr pro­gram­ma­tis­ch­er Klarheit zu gelangen.

Zweit­ens gibt Arruz­zas his­torisch­er Überblick aber auch den­jeni­gen zu denken, die umgekehrt die The­o­rien des tra­di­tionellen Marx­is­mus als alt­back­en und durch­weg antifem­i­nis­tisch anse­hen. Es ver­ste­ht sich nach einem Blick in die Geschichte von selb­st, dass Arbeit­skampf, Antikap­i­tal­is­mus und Fem­i­nis­mus irgend­wie zusam­men­hän­gen. Wie genau dieser Zusam­men­hang aber gedacht wer­den kann, und wie nicht, das zeigt sich wiederum ger­ade erst an den Bruch­stellen, die Arruz­za her­ausar­beit­et. Die his­torische und prak­tis­che Ver­bun­den­heit von fem­i­nis­tis­chen Bewe­gun­gen und antikap­i­tal­is­tis­chen Bewe­gun­gen, so zeigt es Arruz­za, sind jeden­falls nicht zu leug­nen. Einzig begrif­f­en wer­den müssten sie – und Arruz­za gibt sich alle Mühe, dieses Begreifen vom Kopf auf die Füße zu stellen.

 

… und neue Lösungen

Die zweite Hälfte des Buch­es beschäftigt sich mit einem sys­tem­a­tis­chen Überblick über die ver­schiede­nen Entwür­fen, wie die Beziehun­gen zwis­chen Geschlecht und Klasse, bess­er: Fem­i­nis­mus (der doch mehr ist als eine The­o­rie der Geschlechtlichkeit) und Marx­is­mus (der doch mehr ist als eine The­o­rie der Klassen) zu erk­lären sind. Arruz­za schafft es, die wortre­ichen The­o­riege­bäude ohne Verz­er­run­gen aufs Wesentlich­ste zusammenzuschrumpfen.

Arruz­za spart nicht an der Kri­tik und ver­ste­ht es auch in diesem Abschnitt, ger­ade auf die Prob­leme der jew­eili­gen The­o­rien aufmerk­sam zu machen. Simone de Beau­voirs Dik­tum, zur Frau werde ein Men­sch erst gemacht, wird ein­drucksvoll als Abwand­lung der let­z­tendlich biol­o­gis­tis­chen Argu­men­ta­tion um Claude Lévi-Strauss rekon­stru­iert: Men­schen, die schwanger sein kön­nten, seien dadurch schon immer geschwächt und damit anfäl­lig, nicht als voll­w­er­tiges Sub­jekt son­dern als Tauschob­jekt behan­delt zu werden.

Der Tausch von gebär­fähi­gen Men­schen als rudi­men­täre aber doch bis heute als ‚wert-volle‘ und qua­si uner­set­zbar erachtete ‚Ware‘ ist dieser Sichtweise nach der entschei­dende boost­er am Beginn der Akku­mu­la­tion: Kein ander­er Raub, sei es an Land oder Ressourcen, habe so viel Gewinn abge­wor­fen wie die Tren­nung der Frauen* von der Ver­fü­gungs­ge­walt über ihre Repro­duk­tions­fähigkeit­en. Erst so entste­ht schein­bar der Über­schuss, der eine Abspal­tung von Gesellschaft und Kul­tur von den unmit­tel­baren Naturzwän­gen möglich machte.

Für Lévi-Strauss stellte sich die Frage nach dem genauen Ablauf dieser Zwis­chen­schritte nicht wirk­lich. Für ihn genügte der Hin­weis, die Entste­hung von Gesellschaft und Kul­tur sei an sich prinzip­iell mit ein­er Abspal­tung, Abw­er­tung und Ger­ingschätzung von Frauen* ver­bun­den. Insofern stimmt es zwar, dass die einzelne, indi­vidu­elle Frau* im Sinne von Beau­voir erst durch die Gesellschaft abgew­ertet würde, dieser Mech­a­nis­mus jedoch müsste seit dem Anbe­ginn jed­er Geschichte beste­hen und liegt damit let­z­tendlich wieder in der ‚Natur der Frauen‘ begrün­det (vgl. 78).

Ganz im Gegen­satz zu dieser Nat­u­ral­isierung, die sich in einem Teil der fem­i­nis­tis­chen The­o­rien bis heute stil­bildend erhal­ten hat, ste­ht etwa die The­o­rie Friedrich Engels’, der die Entste­hung der Vorherrschaft der Män­ner nicht aus der Natur, son­dern zusam­men mit der Entste­hung der Klas­sen­ge­sellschaft erk­lären will. Das Pri­vateigen­tum des Klassen­mod­ells stünde Engels zufolge stets in Konkur­renz zum Eigen­tum im Sinne ein­er Stammes­ge­sellschaft. Die Nähe von Müt­tern* und Kindern sei damit aber ger­ade keine Schwäche, vielmehr wären Stammes­ge­sellschaften ten­den­ziell nicht patri­ar­chal, son­dern matri­ar­chal struk­turi­ert (vgl. 79).

Das Pri­vateigen­tum, das sich Auf­grund der größeren Wet­tbe­werb­s­fähigkeit und Flex­i­bil­ität neuer Pro­duk­tion­sweisen durchge­set­zt hat, musste sich somit eher auf patri­ar­chale Mod­elle stützen, weil sich das matri­ar­chale Mod­ell am Stamme­seigen­tum ori­en­tierte. Erst dadurch habe der sich aus­bildende Kap­i­tal­is­mus sys­tem­a­tisch ein Inter­esse daran vorge­bracht, das Pri­vateigen­tum eben nicht an eine Stammes­lin­ie, son­dern an ein Indi­vidu­um, sprich einen männlichen Erben zu übergeben, um die Flex­i­bil­ität zu ver­größern, die das Kap­i­tal für seine Schübe der Expan­sion und Konk­trak­tion benötigt.

Doch auch mit dieser The­o­rie beste­hen erhe­bliche Prob­leme, die Arruz­za nicht unter­schlägt. Vor allem die tat­säch­liche Exis­tenz eines Matri­ar­chats in der Geschichte sei nicht bewiesen (vgl. 81). Aber auch ganz generell zeigt Arruz­za die ver­schiede­nen Sack­gassen ein­er solchen eth­nol­o­gis­chen und anthro­pol­o­gis­chen Forschung­se­in­stel­lung auf. Stattdessen fordert Arruz­za ein „Ver­ständ­nis für die Wech­sel­wirkun­gen“ (87) von Unter­drück­un­gen anstelle der Suche nach ein­er am Ende auftrumpfend­en Erk­lärung ein.

Wie aber kann so eine Auf­fas­sung von Wech­sel­wirkun­gen ausse­hen, ohne in ein­er Beliebigkeit zu ver­schwim­men? Vor dieser wichti­gen Frage, wie sich also ver­schiedene Unter­drück­ungssys­teme als Teile eines zusam­men­hän­gen­den Ganzen sehen lassen, ste­ht die Gesellschaft­s­the­o­rie. Die Annahme ein­er großen Emanzi­pa­tion schlicht durch Teil­nahme am Lohnar­beitssys­tem ohne Beach­tung der langfristi­gen gat­tungs­geschichtlichen, ide­ol­o­gis­chen und psy­chol­o­gis­chen Fol­gen der Geschichte des Patri­ar­chats ist auch für Arruz­za sich­er eine Illu­sion zu beze­ich­nen (vgl. 89). Aber damit ist noch kein Urteil darüber gesprochen, in welch­er Weise die Kämpfe tat­säch­lich anzuord­nen wären.

 

Mate­ri­al­is­mus ohne Richtung

Arruz­za selb­st scheint – zumin­d­est in der deutsch­prachi­gen Aus­gabe, in der die Hin­weise etwa auf Ver­suche, Klasse zu dekon­stru­ieren, fehlen – eine eher klas­sisch marx­is­tis­che Posi­tion zu vertreten: [D]as Patri­ar­chat [hat sich] als Organ­i­sa­tions­form eines Teils der Pro­duk­tion seit ger­aumer Zeit über­lebt und das, was davon übrig geblieben ist, ist im Kap­i­tal­is­mus in den Hin­ter­grund getreten“ (130). Arruz­za lehnt die Vorstel­lung ab, dass die Wider­stands­for­men gegen das Patri­ar­chat über Klas­sen­gren­zen hin­weg „trans­ver­sal“ ein­heitlich sein kön­nten (98). Zumin­d­est in der unmit­tel­baren Gegen­wart stellt also das Unter­drück­ungssys­tem des Kap­i­tal­is­mus den struk­turi­eren­den Anteil des Gesamt­sys­tems dar. Arruz­za schließt das aus ihrer Rekon­struk­tion der let­zten großen Debat­ten des mate­ri­al­is­tis­chen Fem­i­nis­mus aus den 1970ern.

Zu dieser Zeit gab es mehrere Ver­suche, das falsche Dog­ma zu über­prüfen, nur die männliche Fab­rikar­beit pro­duziere Mehrw­erte für die Gesellschaft, fol­glich sei diese vor allem durch Streiks in diesem Bere­ich ver­wund­bar. Ver­schiedene Arbeit­en haben jüngst wieder daran erin­nert, wie glück­los diese Debat­te geführt wor­den ist. Oft scheint der unmit­tel­bare und kurzfristi­gen rhetorische Zugewinn – etwa, wenn Hausar­beit als pro­duk­tiv bzw. Frauen* als essen­tieller Teil der Arbeiter*innenklasse erk­lärt wer­den – im Vorder­grund zu ste­hen und eine tat­säch­liche the­o­retis­che Auf­fas­sung dieser Fra­gen in den Hin­ter­grund zu drän­gen.[5] Auch der Befund, dass die his­torische Hausar­beits­de­bat­te nach ca. einem Jahrzehnt ergeb­nis- und fol­gen­los abge­brochen ist, weist darauf hin, dass hier grundle­gende Prob­leme der The­o­riebil­dung nicht gelöst wer­den kon­nten.[6]

Arruz­za macht darüber hin­aus auf ein weit­eres Prob­lem aufmerk­sam: Nicht nur wurde die Diskus­sion abge­brochen, sie hat auch zu Teils diame­tral ent­ge­genge­set­zten Ergeb­nis­sen geführt (vgl. 92ff.). Der vor­liegende Ein­führungs­band kann diese Prob­leme natür­lich nicht alle lösen, und trägt an weni­gen Stellen sog­ar zu weit­er­er Ver­wirrung bei. So ste­ht in dem Band z. B. zu lesent: „Unbe­stre­it­bar trägt die Repro­duk­tion­sar­beit indi­rekt zur Wert­steigerung der Waren bei“ (94). Das Prob­lem der Wert­steigerung wird natür­lich nicht gelöst son­dern nur ver­schleiert, wenn es in die Vok­a­bel der indi­rek­ten Wert­steigerung ver­schoben wird. Ob Arbei­t­ende in ein­er Fab­rik den Wert von son­sti­gen Arbeitsmit­teln durch ihre Zutat wirk­lich steigern oder ger­ade nicht und was die Kon­se­quen­zen aus ein­er solchen Sichtweise sind, ist Gegen­stand von weitläu­fi­gen Debat­ten, deren Ende noch lange nicht in Sicht ist.

Let­z­tendlich dechiffriert Arruz­za aber den Bruch zwis­chen mate­ri­al­is­tis­chen und operais­tis­chen The­o­rien – anhand der Frage, ob Frauen* Teil der Arbeit­erk­lasse oder Teil ein­er patri­ar­chal unter­drück­ten Klasse sind – äußerst ele­gant: Bei­de Analy­sen wür­den sich gle­icher­maßen darum bemühen, Geschlecht in der ein oder anderen Weise als Klasse zu definieren. Mate­ri­al­is­tis­che The­o­rie ist nun aber ja sehr viel mehr als nur eine Klassen- oder Aus­beu­tungs­analyse, son­dern eine Auf­fas­sung über die Dynamik von Verge­sellschaf­tungsweisen ins­ge­samt. Es bleibt also eine offene Auf­gabe, fem­i­nis­tis­che The­o­rie nicht an Klassen­the­o­rie, son­dern an die Kri­tik der poli­tis­chen Ökonomie generell anzuschließen (vgl. 99).

Aus diesem Grund weist der Ein­führungs­band am Ende auch die Mehrebe­nen-Ansätze etwa von Hart­mann und Fras­er zurück. Nur der Anspruch, zu ein­er ein­heitlicheren The­o­rie „für ein gemein­sames Sys­tem“ zurück­zukom­men, kann am Ende die notwendi­gen Verän­derun­gen im tech­nis­chen Vok­ab­u­lar sowohl im Mate­ri­al­is­mus als auch in der fem­i­nis­tis­chen The­o­rie erre­ichen (124).

 

Ein neuer Anlauf

Bemerkenswert ist vor diesem Hin­ter­grund die Pub­lika­tion des Ban­des in der Rei­he des neuen ISP Ver­lags, die zu eini­gen Lim­i­ta­tio­nen führt. So kommt das dünne Buch ohne jegliche Fußnoten, Zita­tio­nen und ohne ein sys­tem­a­tis­ches Lit­er­aturverze­ich­nis aus. Sog­ar der Index der Autor*innen, der noch in der englis­chen Fas­sung enthal­ten war, musste weichen.[7] Das ver­wun­dert, zumal Arruz­za eine Vielzahl von unter­schiedlichen Posi­tio­nen auf kle­in­stem Raum zusam­men­fasst. Dafür ist eine Leseliste mit aus­gewählten Schlüs­sel­tex­ten enthalten.

Die Wahl des Ver­lags dürfte trotz alle­dem dem The­ma äußert angemessen sein, tritt ISP doch in der durchökonomisierten Pub­lika­tion­s­land­schaft durch ein schar­fes poli­tis­ches Pro­fil in Erschei­n­ung. Der Schw­er­punkt liegt dabei auf Pub­lika­tio­nen rund um die poli­tis­che und wis­senschaftliche Tra­di­tion, die sich von Leo Trotz­ki über Ernest Man­del, Jakob Mon­e­ta und andere bis heute erstreckt und lange ein Nis­chen­da­sein fristete.

Tat­säch­lich gehören heute aber in Europa ger­ade expliz­it trotzk­istis­che Zusam­men­hänge zu den­jeni­gen, die am lautesten für ger­ade die The­men stre­it­en, die in den Debat­ten um Haus‑, Repro­duk­tions- und Sorgear­beit­en eine zen­trale Rolle spie­len.[8] 2017 hat sog­ar die ein­gangs erwäh­nte Nan­cy Fras­er der trotzk­istis­chen Plat­tform left­voice ein Inter­view gegeben.[9] Das Erscheinen von dezi­dierten mate­ri­al­is­tis­chen The­o­riepub­lika­tio­nen quer zu den einge­fahre­nen Schienen von alter Klassen­rhetorik, ‚anti­deutsch­er‘ rein­er Kri­tik, pop­kul­turellen Zugän­gen aus Ver­legen­heit und Fem­i­nis­mus als ver­meintlich­es Spezialthe­ma der ‚Hohen The­o­rie‘ im Suhrkam­pdiskurs oder im poli­tol­o­gis­chen klein-klein lässt daher wieder hoffen.

 

von Flo­ri­an Geisler

 

  1. Nan­cy Fraser/Axel Hon­neth 2003, Umverteilung oder Anerken­nung, Frank­furt am Main: Suhrkamp
  2. Sil­via Kon­tos 2004, Brüche – Auf­brüche – Ein­brüche. Die Frauen­be­we­gung und ihre Vor­gaben für eine kri­tis­che Gesellschaft­s­the­o­rie, in: Joachim Beerhorst/Alex Demirović/Michael Gugge­mos (Hrsg.) 2004, Kri­tis­che The­o­rie im gesellschaftlichen Struk­tur­wan­del, 427–452, 433f., 459
  3. Vgl. hierzu etwa die Beiträge von Bini Adam­czak über die Zusam­men­hänge von pro­le­tarisch­er und Kul­tur­rev­o­lu­tion, in: ders. 2017, Beziehungsweise Rev­o­lu­tion — 1917, 1968 und kom­mende, Frank­furt am Main: Suhrkamp
  4. Vgl. hierzu etwa die Hausar­beits­de­bat­te über die Frage nach dem wertschöpfend­en Charak­ter von Hausar­beit, die auch im Anschluss ver­han­delt wird, aktuell z. B. Sil­via Fed­eri­ci 2015, Die Repro­duk­tion der Arbeit­skraft im glob­alen Kap­i­tal­is­mus und die unvol­len­dete fem­i­nis­tis­che Rev­o­lu­tion, in: Bini Adamczak/Mike Laufenberg/Felicita Reuschling/Sarah Speck/Chris Ted­ja­suk­mana (Hrsg.) 2015, Auf­s­tand aus der Küche. Die Repro­duk­tion der Arbeit­skraft im glob­alen Kap­i­tal­is­mus und die unvol­len­dete fem­i­nis­tis­che Rev­o­lu­tion, Mün­ster: edi­tion assem­blage, 21–86
  5. Vgl. Cari­na Klug­bauer 2016, And who Cares for Marx? An Actu­al­iza­tion of Marx­ist Fem­i­nism, in: Adri­ana Zaharijevic/Igor Cvejic/Mark Loson­cz (Hrsg.) 2016: Think­ing beyond Cap­i­tal­ism, Bel­grad: Uni­ver­si­ty of Belgrade/Conferentia, 65–87
  6. Vgl. Stephan Paulus 2013, Hausar­beits­de­bat­te Revis­it­ed. Zur Arbeitswert­the­o­rie von Haus- und Re-pro­duk­tion­sar­beit. Tech­nis­che Uni­ver­sität Ham­burg Arbeitspa­pi­er, online unter: https://doi.org/10.15480/882.1106, 13
  7. Cinzia Arruz­za 2013: Dan­ger­ous Liaisons. The mar­riages and divorces of Marx­ism and Fem­i­nism, Pon­ty­pool: Mer­lin Press/IIRE/Resistancebooks
  8. Siehe etwa die neuen Streik­for­mate an der Char­ité oder den Berlin­er Uni­ver­sitäten, beson­ders aber die Streik­be­we­gung in Frankre­ich der let­zten Jahre.
  9. Mit­tler­weile auf deutsch unter www.klassegegenklasse.org/nancy-fraser-es-ist-moeglich-einen-radikalen-feminismus-mit-klarem-profil-aufzubauen/

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