“denken entlang der Politik”. Zum Begriff des Materialismus bei Max Horkheimer und Louis Althusser

Dani­el Hack­barths Aus­gangs­punkt ist die Nähe zwei­er gesell­schafts­theo­re­ti­scher Kon­zep­tio­nen, die über eine gro­be Zurech­nung zum west­li­chen Mar­xis­mus hin­aus sel­ten so klar her­vor­ge­ho­ben wur­de. Ursprung die­ser Par­al­le­li­tät ist eine geteil­te theo­re­ti­sche Her­aus­for­de­rung, die sowohl für Althus­ser als auch für Hork­hei­mer in der Reak­ti­vie­rung eines mar­xis­ti­schen Den­kens ent­ge­gen den erstarr­ten Kon­zep­tio­nen des dok­tri­nä­ren Welt­an­schau­ungs­mar­xis­mus besteht – ohne den spe­zi­fi­schen Erkennt­nis­an­spruch auf­zu­ge­ben. Denn wäh­rend in Engels’ wis­sen­schaft­li­chem Sozia­lis­mus und der davon in Gang gebrach­ten Aus­ar­bei­tung der Natur­dia­lek­tik bis zu Sta­lin das Den­ken in eben jener Abs­trak­ti­on zum Still­stand kommt, gegen die schon Marx selbst sei­ne Idea­lis­mus­kri­tik in Stel­lung brach­te, bemü­hen sich Hork­hei­mer und Althus­ser jeweils, die­se Bewe­gung des Den­kens ent­lang der gesell­schaft­li­chen Pra­xis wie­der auf­zu­neh­men. Es sind mit­hin Inter­ven­tio­nen gegen einen meta­phy­si­schen Geschichts­be­griff, den Reduk­tio­nis­mus und Eli­tis­mus der Theo­rie sowie gegen eine End­gül­tig­keit des Den­kens. Aber ihre Nähe „dürf­te nicht nur dar­in begrün­det lie­gen, dass bei­de Theo­re­ti­ker ver­such­ten, dem ortho­do­xen Mar­xis­mus ein ande­res Begriffs­dis­po­si­tiv gegen­über­zu­stel­len, son­dern auch in dem Umstand, dass sich bei­de in ähn­li­cher Wei­se mit sub­jek­ti­vis­ti­schen Ansät­zen kon­fron­tiert sahen […, die] deut­li­che Spu­ren in der jewei­li­gen Aus­ar­bei­tung des Materialismus‑Begriffs zeitig[en]“ (62). Im Mate­ria­lis­mus, der erkennt­nis­theo­re­tisch wis­sen­schaft­li­chen Posi­ti­on, ent­schei­det sich jeweils das Dilem­ma zwi­schen dem Anspruch der Objek­ti­vi­tät von Erkennt­nis und deren Durch­kreu­zung in der mensch­li­chen Pra­xis. War es der Pra­xis­be­griff, des­sen Über­be­to­nung im Sub­jek­ti­vis­mus des Neu­kan­tia­nis­mus oder bei Sart­re als Mit­tel gegen den objek­ti­vis­ti­schen Dog­ma­tis­mus galt, so wol­len Althus­ser wie Hork­hei­mer die­se wider­sprüch­li­chen Ele­men­te nicht ein­fach in Deckung brin­gen, son­dern dia­lek­tisch ver­mit­teln. Dies bezeugt nicht zuletzt Hork­hei­mers Vor­stel­lung einer theo­re­ti­schen Ver­län­ge­rung der pro­le­ta­ri­schen Kämp­fe oder Althussers Kon­zept der Phi­lo­so­phie als Klas­sen­kampf in der Theo­rie. Anhand der jewei­li­gen Theo­rie­ge­bäu­de und ihrer his­to­ri­schen Kon­tex­te rekon­stru­iert Hack­barth deren Materialismus‑Konzeptionen, die gegen eine onto­lo­gi­sche Grün­dung des Den­kens an dem Erkennt­nis­an­spruch einer Gesell­schafts­theo­rie fest­hal­ten. Die­se exem­pla­ri­sche Aus­füh­rung eröff­net dezi­diert die Mög­lich­keit, die Dis­kus­si­on über eine kri­ti­sche Theo­rie der Gesell­schaft jen­seits der vie­len Miss­ver­ständ­nis­se wie­der auf­zu­neh­men, in deren Namen sie schon zu den his­to­ri­schen Akten gelegt wurde.

Dani­el Hack­barth 2015: “den­ken ent­lang der Poli­tik”. Zum Begriff des Mate­ria­lis­mus bei Max Hork­hei­mer und Lou­is Althus­ser. Müns­ter: West­fä­li­sches Dampf­boot 2015.

von Alex Struwe

Der Bei­trag erschien zuerst in Por­tal für Poli­tik­wis­sen­schaft, URL: http://www.pw-portal.de/rezension/39244-denken-entlang-der-politik_47965

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