Die Ideen des Kommunismus

Drei kur­ze Bespre­chun­gen zu den Tagungs­bän­den der jewei­li­gen Kon­fe­ren­zen Die Idee des Kom­mu­nis­mus.

 

Die Mög­lich­keit, den Kom­mu­nis­mus über die Geschich­te der geschei­ter­ten Ver­su­che sei­ner Umset­zung hin­aus zu ret­ten, besteht dar­in, ihn als Idee zu begrei­fen. Alain Badious ein­fluss­rei­che kom­mu­nis­ti­sche Hypo­the­se setz­te genau die­sen Impuls und ver­moch­te damit auch das Ende der Apa­thie einer Lin­ken nach dem Zusam­men­bruch des Sozia­lis­mus zu arti­ku­lie­ren. Was an die­sem ver­meint­li­chen Neu­an­fang „zunächst und vor allem zählt, ist die Exis­tenz des Kom­mu­nis­mus und sind die Begrif­fe, in denen er for­mu­liert wird“ (26). Der Auf­ga­be die­ser Refor­mu­lie­rung wid­me­te sich die bereits 2009 abge­hal­te­ne Kon­fe­renz zur Idee des Kom­mu­nis­mus, deren Bei­trä­ge hier­mit auf Deutsch vor­lie­gen. Dar­in ver­sam­melt sich eine nam­haf­te Pro­mi­nenz radi­ka­ler Philosoph_innen, die sich ent­we­der direkt der Auf­ga­be ver­schrei­ben oder deren Arbei­ten auf jenes Vor­ha­ben hin kon­tex­tua­li­siert wer­den. Der Einig­keit über die Dring­lich­keit der aktua­li­sier­ten kom­mu­nis­ti­schen Idee, wie sie Badiou ein­gangs for­mu­liert, ste­hen dann schnell die unter­schied­li­chen Inter­pre­ta­tio­nen und ver­schie­de­nen Pro­ble­me gegen­über, mit denen sich ein sol­ches Pro­jekt kon­fron­tiert sieht. So steht Kri­tik von Sus­an Buck‑Morss an einer fal­schen, weil exklu­siv west­li­chen, Uni­ver­sa­li­sie­rung des Kom­mu­nis­mus neben den Aus­füh­run­gen Ter­ry Eagle­tons über das Dilem­ma der Pro­duk­ti­vi­tät, wel­ches wie­der­um von Micha­el Hardt auf­ge­grif­fen und opti­mis­tisch gewen­det wird, da sich im aktu­el­len Sta­di­um des Kapi­ta­lis­mus eine Pro­duk­ti­on von Gemein­gut durch­set­ze, die zur Grund­la­ge sei­ner eige­nen Über­win­dung die­ne. Die zumeist sub­ti­len Bezü­ge auf­ein­an­der sind dabei nicht immer leicht nach­zu­voll­zie­hen, wenn bei­spiels­wei­se Žižek zwi­schen den Zei­len Ran­ciè­re eines Neu‑Kantianismus bezich­tigt oder die­ser gleich „von sei­nem älte­ren Klas­sen­ka­me­ra­den Badiou wegen radi­ka­lem ‚Apo­li­ti­zis­mus‘ ange­klagt“ (54) wird. Einig­keit besteht daher nur in weni­gen Punk­ten, so aber zumin­dest dar­in, dass der Neu­be­ginn nicht als posi­ti­ves Pro­gramm vor­weg­ge­nom­men wer­den kann. Damit bleibt die ver­meint­li­che Uni­ver­sa­lie etwas Nega­ti­ves und dient so viel­mehr einer gene­rel­len Her­aus­for­de­rung des Sta­tus quo, als die­ser Bewe­gung sub­stan­zi­ell eine Rich­tung geben zu kön­nen. So etwa, wenn Jac­ques Ran­ciè­re den Kom­mu­nis­mus als die Eman­zi­pa­ti­on der Intel­li­gen­zen der Ein­zel­nen im Namen der Gleich­heit beschreibt oder Gian­ni Vat­ti­mo for­dert, „der Kom­mu­nis­mus muss den Mut haben, ein ‚Gespenst‘ zu sein“ (249).

 

Dou­zi­nas, Costas/Žižek, Sla­voj 2012 (Hrsg.): Die Idee des Kom­mu­nis­mus. Band I. Ham­burg: LAIKA.

 

 

„Die Idee des Kom­mu­nis­mus ist […] der Gegen­stand einer Hypo­the­se über die Mög­lich­keits­be­din­gun­gen einer poli­ti­schen Wahr­heit“ (110), kon­sta­tie­ren die deut­schen Mit­or­ga­ni­sa­to­ren der zwei­ten Kon­fe­renz zur Idee des Kom­mu­nis­mus Ger­not Kame­cke und Hen­ning Teschke. Mit die­ser Aus­sa­ge beto­nen sie die Rele­vanz des Vor­ha­bens einer Aktua­li­sie­rung des Begriffs und der Bewe­gung, wie sie bereits im Vor­jahr 2009 the­ma­ti­siert wur­de. Ein impli­zi­ter Schwer­punkt liegt nun auf Fra­gen der Sub­jek­ti­vi­tät, denn, wie Alain Badiou aus­führt, stellt die kom­mu­nis­ti­sche Idee jene Form einer not­wen­di­gen Uni­ver­sa­li­tät dar, „ohne [… die] es kei­ne Rea­li­tät des poli­ti­schen Sub­jekts der Eman­zi­pa­ti­on [gibt]“ (12). Für ihn ist daher eine erneu­er­te Inter­na­tio­na­le der unbe­ding­te Bezugs­punkt einer kom­mu­nis­ti­schen Bewe­gung. Auch Saroj Giri führt das Nach­den­ken über die Mög­lich­kei­ten des Kom­mu­nis­mus zwangs­wei­se zu Fra­gen der revo­lu­tio­nä­ren Sub­jek­ti­vi­tät zurück, da es „genau die kon­kre­te his­to­ri­sche Mög­lich­keit der Ent­wick­lung poli­ti­scher For­men und die Kon­sti­tu­ie­rung der Gesell­schaft auf einer kom­mu­nis­ti­schen Basis [… ist], die Badiou bei sei­nem Begriff der kom­mu­nis­ti­schen Idee über­sieht“ (61) und die es folg­lich aus­zu­lo­ten gilt. Das Kol­lek­tiv „Gol­den Poldex“ sieht im poli­ti­schen Sub­jekt der Soli­dar­no?? bereits die (zwar geschei­ter­te) his­to­ri­sche Ver­wirk­li­chung der kom­mu­nis­ti­schen Hypo­the­se Badious, um die­se so in die Zukunft zu pro­ji­zie­ren. Eine ähn­li­che Ver­bin­dung beto­nen auch Frank Ruda und Jan Völ­kers, die eine kom­mu­nis­ti­sche Maxi­me daher ver­ste­hen als „den Mut, die Bilan­zie­rung des eige­nen Daseins, der eige­nen Geschich­te auf­zu­neh­men, um dar­aus das Ver­trau­en in die Fähig­kei­ten für das Neue zu ent­wi­ckeln“ (195). Ein wei­te­rer Schwer­punkt fin­det sich qua­si in nega­ti­ver Gestalt in der Aus­tra­gung von Kon­flikt­li­ni­en, wie es an der Kon­tro­ver­se zwi­schen Badiou und Anto­nio Negri wohl am deut­lichs­ten wird, die die Ver­län­ge­rung alter Debat­ten zwi­schen einem ver­meint­li­chen „Mono­pol­kom­mu­nis­mus“ der Wahr­heits­pro­ze­dur und der Beru­fung auf die Imma­nenz und Affek­te des omni­prä­sen­ten poli­ti­schen Kamp­fes dar­stellt. Als letz­te Schwer­punkt­set­zung gilt den Orga­ni­sa­to­ren die beson­de­re Stel­lung von Bei­trä­gen aus dem post­so­wje­ti­schen Raum, die der ten­den­zi­el­len Idea­li­sie­rung des Kom­mu­nis­mus­be­griffs auch eine Art Rea­li­täts­er­fah­rung bei­steu­ern kön­nen, ohne die­se zum Beweis des Uto­pis­mus zu missbrauchen.

 

Badiou, Alain/Žižek, Sla­voj 2012 (Hrsg.): Die Idee des Kom­mu­nis­mus. Band II. Ham­burg: LAIKA.

 

 

Nur sel­ten gehen die Prot­ago­nis­ten der neu­en Idee des Kom­mu­nis­mus so selbst­kri­tisch vor wie in dem drit­ten Band die­ser Rei­he. Alain Badiou knüpft an die bes­ten Momen­te sei­ner kom­mu­nis­ti­schen Hypo­the­se an. Er ver­tieft sei­ne Ana­ly­se über Gewalt­herr­schaft und Ter­ror in revo­lu­tio­nä­ren Situa­tio­nen sowie die dar­in auf­schei­nen­de, selt­sa­me „Fas­zi­na­ti­on für den Feind“ und „mime­ti­sche Riva­li­tät“ (20) der gegen­sei­ti­gen Über­bie­tung an Ent­frem­dung im Sys­tem­wett­be­werb. Éti­en­ne Bali­bar dis­ku­tiert die „bemer­kens­wert ent­ge­gen­ge­setz­ten Sicht­wei­sen auf die Revo­lu­ti­on“ (36) zwi­schen den bio­po­li­ti­schen und ideo­lo­gie­kri­ti­schen Strö­mun­gen des Post­mar­xis­mus und kommt zum Schluss, dass vor allem ers­te­re die dem Spät­ka­pi­ta­lis­mus eige­nen, „gigan­ti­schen For­men von Stan­dar­di­sie­rung und Mecha­ni­sie­rung“ der Arbeit „igno­rie­ren oder mini­mie­ren“ (45). Dadurch schei­nen die viel­fäl­ti­gen Hoff­nun­gen auf die Emer­genz kom­mu­nis­ti­scher Mus­ter aus der bestehen­den Ord­nung plötz­lich sehr frag­wür­dig zu sein. Sus­an Buck‑Morss holt noch wei­ter aus und erteilt allen exis­ten­zia­lis­ti­schen Ver­su­chen – im Geis­te etwa des Ope­rais­mus und des Hei­deg­ge­ria­nis­mus –, lin­ke Poli­tik aus der Mikro­phy­sik der unmit­tel­ba­ren Unter­drü­ckung abzu­lei­ten, eine kla­re Absa­ge: „Tat­säch­lich ist das Onto­lo­gi­sche nie­mals poli­tisch. Eine com­mo­nis­ti­sche (oder kom­mu­nis­ti­sche) Onto­lo­gie ist ein Wider­spruch in sich“ (75). Und auch der schein­bar unend­li­che Hori­zont der Phi­lo­so­phie vom wahr­haf­ten poli­ti­schen Ereig­nis wird begrenzt: „Das, was in einem Ereig­nis plötz­lich mög­lich ist, besteht dar­in, den selbst­er­klär­ten Demo­kra­tien zu fol­gen, die bereits eta­bliert sind“ (85). Jodi Dean sekun­diert mit einer ver­nich­ten­den Kri­tik von Wen­dy Browns ein­fluss­rei­cher Inter­pre­ta­ti­on von Wal­ter Ben­ja­min: „Brown legt nahe, die Lin­ke sei in Fol­ge his­to­ri­scher Ver­än­de­run­gen besiegt und ver­las­sen wor­den. Ben­ja­min nötigt uns zu erwä­gen, dass die Lin­ke auf­ge­ge­ben und sich ver­kauft hat“ (106). Der fal­sche Indi­vi­dua­lis­mus und das heim­li­che „Genie­ßen, [das die Lin­ke] durch ihren Rück­zug aus der Ver­ant­wor­tung“ (109) gewinnt, wird laut Dean auch von Anto­nio Negri und Alain Badiou nur unzu­rei­chend auf­ge­löst. Statt Idee, Ereig­nis, Sin­gu­la­ri­tät soll­te sich lin­ke Theo­rie wie­der dem The­ma der Mas­sen zuwen­den. Denn: „Statt eine Iden­ti­tät zu benen­nen, unter­streicht die Zahl [der Mas­se] eine Tei­lung und eine Lücke“ (124), wir­ke also ganz und gar kri­tisch im bes­ten marx­schen Sin­ne. Ins­ge­samt han­delt es sich sicher um einen der streit­bars­ten und zugäng­lichs­ten Bän­de zum Thema.

 

Badiou, Alain/Žižek, Sla­voj 2015 (Hrsg.): Die Idee des Kom­mu­nis­mus. Band III. Ham­burg: LAIKA.

 

 

von Flo­ri­an Geisler/Alex Struwe

 

Die Bei­trä­ge erschie­nen zuerst auf Por­tal für Poli­tik­wis­sen­schaft, URL: https://www.pw-portal.de/rezension/38609-die-idee-des-kommunismus-band-iii_45713

 

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.